: Türkei darf jetzt deutsche Panzer fahren
Die Regierung soll sich entschlossen haben, der Türkei Panzer zu liefern – falls diese will. Vor fünf Jahren führten solche Pläne noch zu einer Koalitionskrise. Heute sei die Situation „definitiv“ anders, sagt Bütikofer. Roth: „Eindeutige Verbesserungen“
AUS BERLIN BETTINA GAUS
Auf den ersten Blick scheint es eine seltsame Meldung zu sein: Es steht nicht fest, ob die Türkei deutsche Panzer bekommen könnte, an denen sie – bislang – gar kein Interesse gezeigt hat. Na und? Warum dann überhaupt darüber berichten? Weil sorgsame Stellungnahmen zu diesem Thema auf einen grundsätzlichen Positionswechsel gegenüber der Türkei hindeuten.
Im Herbst 1999 hatte eine geplante Panzerlieferung noch zu einer schweren Koalitionskrise geführt. Die Grünen verhinderten seinerzeit, dass eine größere Zahl von „Leopard 2“-Panzern an den Nato-Partner verkauft wurde. Ankara verzichtete auf eine offizielle Anfrage, nachdem die Grünen mit einem Bruch des Bündnisses gedroht hatten. Auch Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) war eine erklärte Gegnerin des Geschäfts. Der Grund: Bedenken hinsichtlich der Menschenrechtssituation in der Türkei. Eine Folge der Diskussion war sogar die Verschärfung der Rüstungsexportrichtlinien.
Fünf Jahre später ist die Welt eine andere geworden – und viele finden: auch die Türkei. Im Lichte der bevorstehenden EU-Beitrittsverhandlungen soll sich die Bundesregierung grundsätzlich dafür entschieden haben, Panzer an den Nato-Bündnispartner zu liefern – wenn Ankara das denn will. Im Gespräch sind mehrere hundert Gebrauchtfahrzeuge vom Typ „Leopard 2“. Demnächst wird sich der Bundessicherheitsrat mit dem Thema befassen. Auch bei dem seit längerer Zeit geplanten Türkei-Besuch von Verteidigungsminister Peter Struck, der voraussichtlich im November stattfinden wird, soll der mögliche Rüstungsexport eine Rolle spielen.
Eine neue Koalitionskrise ist in diesem Zusammenhang nicht zu erwarten. Zwar betont der grüne Wehrexperte Winfried Nachtwei gegenüber der taz, es gebe keinen „Genehmigungsautomatismus“ und „erst recht keinen Grund zur Hektik und Drängelei“. Die Rüstungsexportrichtlinien blieben der maßgebliche Rahmen, innerhalb dessen sorgfältig geprüft werden müsse, „ob die Fortschritte, die es unzweifelhaft gibt, ausreichen, um solche Exporte zu genehmigen“. Stellungnahmen internationaler Menschenrechtsorganisationen seien dabei besonders wichtig.
Aber Nachtwei sieht eben auch Fortschritte, ebenso wie die grünen Parteivorsitzenden. Die Situation sehe „definitiv“ anders aus als vor fünf Jahren, erklärte Reinhard Bütikofer, seine Kollegin Claudia Roth sprach von „eindeutigen Verbesserungen“. Der CDU-Politiker Dietrich Austermann warf hingegen Roth, die auch die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung ist, vor, die Lage in der Türkei schönzureden.
Schon vor gut einem Jahr hatte der türkische Ministerpräsident Erdogan bei einem Deutschlandbesuch erklärt, es gebe angesichts „revolutionärer Veränderungen“ in der Türkei „keine Notwendigkeit mehr für Beschränkungen“ von Rüstungsgeschäften. Er könne Restriktionen „nicht akzeptieren“. Vermutlich muss er das auch schon bald nicht mehr.