Die Reihen nur ein bisschen geschlossen

Ein breites Bündnis will am Samstag gegen Sozialabbau demonstrieren. Gewerkschaftsspitzen halten sich zurück

BERLIN taz ■ Stellvertretend für 70 Prozent der Bevölkerung stehe das „Bündnis gegen Sozialkahlschlag“ mit seinen Forderungen, sagen die Initiatoren. Gewerkschaftsfunktionäre, Globalisierungskritiker und andere Initiativen laden am kommenden Samstag zur Demonstration gegen die Reformpolitik der Bundesregierung nach Berlin.

„Die Demo am 1. November ist nur der Auftakt“, sagt Demonstrationsleiter Michael Prütz. Die Wahlen in Brandenburg hätten die Krise der repräsentativen Demokratie belegt – die Konsequenz: „ein neuer, außerparlamentarischer Widerstand“.

„Dem Soziallabbau kann, dem Soziallabbau muss begegnet werden“, sagt Lothar Naetebusch, Berliner IG-BAU-Vorsitzender, „die Hartz-Gesetze werden keine Arbeitsplätze schaffen“. Die Gesellschaft sei reich genug, allein das Geld sei ungleich verteilt. Es sei sogar so viel Geld da, „dass jede Familie im Schnitt 150.000 Euro haben müsste – das ist nicht der Fall“, so Naetebusch.

Über die Form des Protestes gegen die Regierung sind sich Gewerkschafter offenbar nicht einig. Unter den Erstunterzeichnern sind nur einzelne Gewerkschaftsfunktionäre: „Ich will nicht verschweigen, dass es andere Positionen in der Gewerkschaft gibt“, sagt Naetebusch. Ingeborg Simon, Mitglied des Ver.di-Bezirksvorstandes Berlin, ist „tief enttäuscht“, dass die Reformen unter dem Dach der Gewerkschaften stillschweigend akzeptiert würden – bei einem Soziallabbau, der in dieser Form noch nie stattgefunden habe. „Unsere Forderungen werden auch vom DGB vertreten“, so Simon, aber „herausragende Repräsentanten sind bis heute nicht bereit, den Aufruf zu unterstützen.“ Simon befürchtet, dass eine Absprache zwischen Gewerkschaften und SPD eine offene Auseinandersetzung verhindern soll – was der DGB allerdings von sich weist.„Das ist Quatsch“, sagt ein DGB-Sprecher auf Anfrage.

Dass der DGB mit Protesten auf der Straße nicht weiterkomme, habe sich in der Vergangenheit gezeigt – gemeint ist eine Demonstration gegen die Hartz-Pläne im Mai in Hannover, bei der die erhofften Massen ausgeblieben waren. Stattdessen setze man, so der Sprecher, auf einen kritischen Dialog.

Davon will das Bündnis nichts wissen. „Es entwickelt sich jetzt Druck von unten – gegen Sozialabbau“, sagt Gewerkschafter Naetebusch. Klein werde dieser Protestzug nicht werden, schätzt das Bündnis. Bei den Behörden sind allerdings nur 10.000 Teilnehmer angemeldet. Neben Gewerkschaftern wird unter anderem auch der Sozialwissenschaftler Rainer Roth zum Mikrofon greifen.

Pedram Shahyar von „Attac“ – ebenfalls im Bündnis vertreten – kündigte für das kommende Frühjahr gleichzeitige Großdemonstrationen gegen Sozialabbau in mehreren europäischen Großstädten an. THILO SCHMIDT