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Archiv-Artikel

Handzahme Intellektuelle

betr.: „Es mag vielleicht an meinem Alter liegen“, Interview mit Uwe Wesel, taz vom 9. 10. 04

Natürlich ist auch Herr Wesel das Volk. Aber eben nur ein Teil des Volkes. Wenn eben gerade der Teil des Volkes Beifall zu einer Reform bekundet, deren Härten sie nicht trifft, dann ist das nachvollziehbar. Doch „schlecht“ wird mir schon dabei, wenn ich Herrn Wesels Argumente überdenke. Wenn ein Mensch, der weit über dem Durchschnitt verdient, dem Teil der Bevölkerung sagt, dass sie sparen muss, obwohl der Teil schon weit weniger Geld zur Verfügung hat als er, dann ist das einer der Gründe, warum mir „schlecht“ wird.

Der oben genannte Grund ist nur einer von vielen, warum mich die Argumente der so genannten Besserverdienenden „anwidern“. Ich wäre gespannt zu sehen, was Herr Wesel und seinesgleichen von Reformen halten würden, die sein Professorengehalt an ukrainische Verhältnisse angleichen würden. Meine Frau ist Ukrainerin und hat als Dozentin an der Universität von Odessa gearbeitet. Wir haben immer noch Freunde, die an der Uni tätig sind. Ein Dozent bekommt ca. 50 Dollar an Gehalt. Den Rest des Geldes, der zum Leben notwendig ist, muss er sich durch Nebentätigkeiten verdienen. Würde Herr Wesel dann auch von Zwängen der Globalisierung reden?

GEORGIS MARGARITIS, Dipl.-Ökonom, Wuppertal

Wesel ist also für Hartz IV, weil mit der CDU die „nötigen“ Umbrüche noch unsozialer ausfallen würden. Eine verdammt bescheidene Argumentation für eine linke Geistesgröße. Da hatte CDU-Außenseiter Heiner Geißler zwei Tage vorher (taz vom 7. 10.) mit seiner Forderung nach einer anderen, nämlich sozialeren und ökologischen Wirtschaftspolitik doch etwas mehr zu bieten.

Aber es scheint dem ehemaligen SPD-Genossen ja sowieso peinlich zu sein, mal als Linksabweichler gegolten zu haben. Schröder, Müntefering und Co. werden es mit Freude und Genugtuung zur Kenntnis nehmen. Vor solchen handzahmen Intellektuellen muss ihnen nicht bange sein. UWE TÜNNERMANN, Lemgo