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Archiv-Artikel

Die Türkei will Kaplan behalten

Der abgeschobene „Kalif von Köln“ steht seit gestern in der Türkei vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, vor sechs Jahren einen „gewaltsamen Umsturz“ geplant zu haben. Nach Deutschland kehrt er wohl nicht zurück – egal wie der Prozess ausgeht

Der Prozess soll möglichst korrekt und geräuschlos über die Bühne gehen

AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH

In der Türkei interessiert es kaum jemanden, dass Metin Kaplan gestern Vormittag dem Haftrichter vorgeführt wurde. Lediglich zwei Fernsehteams und rund 15 Schaulustige kamen in den Istanbuler Stadtteil Besiktas zum „Gericht für besonders schwere Straftaten“, um den selbst ernannten „Kalifen von Köln“ zu sehen.

Völlig ungestört konnte der Richter Kaplan drei Stunden lang befragen und anschließend den Haftbefehl in Kraft setzten. Ohne viel Aufhebens verschwand Kaplan wieder im Polizeiwagen und wurde ins Untersuchungsgefängnis gefahren. Als der Islamist am Dienstagabend gegen 22.30 Ortszeit in Istanbul aus dem eigens gecharterten Lear-Jet stieg, wurde er vom Bundesgrenzschutz nahtlos der wartenden türkischen Polizei übergeben. Die Nacht verbrachte er in einer Zelle am Flughafen, am Morgen um 9 Uhr stand er dann bereits vor dem Haftrichter.

In den türkischen Medien hielt sich das Interesse an dem Exoten aus Deutschland in Grenzen. Nur eine Zeitung machte die Abschiebung Kaplans zur Schlagzeile, alle anderen begnügten sich mit sachlichen Hintergrundberichten oder Agenturmeldungen.

Keine einzige türkische Zeitung stellte bei der Ankunft Kaplans Vergleiche mit der Festnahme Abdullah Öcalans vor fünf Jahren an. Als der PKK-Chef, ebenfalls mit einem Lear-Jet, auf einem Militärflugplatz weit außerhalb Istanbuls landete, stand die Türkei tatsächlich Kopf.

Kaplan wird in der Türkei vorgeworfen, einen „bewaffneten Umsturz“ geplant zu haben. Diese Straftat wird mit lebenslanger Haft geahndet. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft beziehen sich auf einen Vorfall im Oktober 1998. Anhänger Kaplans sollen damals einen Anschlag auf die Feier zum 75-jährigen Bestehen der Republik am Atatürk-Mausoleum in Ankara geplant haben.

Es heißt, sie wollten ein mit Sprengstoff bepacktes Kleinflugzeug in die Menge stürzen lassen. Eine andere Gruppe sollte parallel dazu die Fatih-Moschee in Istanbul besetzen und die Gläubigen zum Aufstand aufrufen. Drei Tage vorher konnte die Polizei jedoch 24 Anhänger Kaplans festnehmen und den Anschlag auf diese Weise vereiteln.

Die beiden Aktionen soll Kaplan von Deutschland aus organisiert haben. Es gab jedoch schon damals Zweifel an dieser offiziellen Version. Denn klar war, dass Kaplan in der Türkei kaum über Anhänger verfügte. Zudem traute man dem obskuren Islamisten solche Aktionen schon logistisch nicht zu.

Welche Beweise die Staatsanwaltschaft hat, wird sich in dem bevorstehenden Prozess zeigen. Da Kaplan jedoch oft genug von Köln aus zur gewaltsamen Abschaffung der „gottlosen Republik“ aufgerufen hatte, wird es den Anklägern wohl leicht fallen, Kaplan als Feind der Republik zu überführen. Die durch Folter erpressten Geständnisse seiner angeblichen Anhänger sind dafür wahrscheinlich nicht einmal notwendig.

Die amtierende Regierung wird versuchen, den Prozess so korrekt und geräuschlos wie möglich über die Bühne zu bringen. Zum einen, weil Ministerpräsident Erdogan und seine Mannschaft nicht wollen, dass Islam und Terror weiterhin in einem Atemzug genannt werden. Zum anderen, weil die Regierung sich nicht dem Vorwurf aussetzen will, rechtsstaatliche Prinzipien – ausgerechnet beim Fall Kaplan – zu verletzen. Erdogan weigerte sich gestern, zu Kaplan überhaupt Stellung zu nehmen. „Die Exekutive soll sich da heraushalten“, begründete Erdogan seine Schweigsamkeit.

Es ist insgesamt höchst unwahrscheinlich, dass Kaplan noch einmal in die Bundesrepublik zurückkehren wird – selbst wenn das Bundesverwaltungsgericht im Nachhinein die Abschiebung für nicht rechtens erklären sollte. Denn die türkische Justiz wird darauf bestehen, das Verfahren gegen ihn unter allen Umständen zu Ende zu führen.

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