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Vorwärts Putin, Bolschewik

Russische Generalstaatsanwaltschaft beschlagnahmt 61 Prozent der Aktien des Yukos-Konzerns. Behörden wollen angeblich illegalen Verkauf der Aktien verhindern. Machtkampf im Hintergrund

MOSKAU taz ■ Der Streit um den größten russischen Ölkonzern Yukos ist dramatisch eskaliert. Die russische Generalstaatsanwaltschaft beschlagnahmte am Donnerstag 61 Prozent der Aktien des Konzerns. Die Justiz begründete ihr Vorgehen mit der Notwendigkeit, einen Verkauf der Aktien an Dritte zu verhindern. Die Aktion hängt mit der Untersuchung gegen Yukos-Chef Michail Chodorkowski zusammen, der vergangenes Wochenende durch maskierte Beamte des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB verhaftet worden war. Ihm werden Betrug und Steuerhinterziehungen in Höhe von einer Milliarde Dollar vorgeworfen.

Ein Yukos-Sprecher bestätigte die Beschlagnahme und bezeichnete sie als einen der „gröbsten Verstöße gegen das Strafrecht“, da die beschlagnahmten Aktien einer Investorengruppe im Ausland gehörten. Die Eigentümerstrukturen des Konzerns sind kompliziert. Die beschlagnahmten Aktien gehören juristisch zwei auf Zypern bzw. auf der Isle of Man registrierten Kapitalgesellschaften. Diese Gesellschaften wiederum sind im Besitz der Firma Menatep (Gibraltar), hinter der Chodorkowski stehen soll. Yukos ist der zweitgrößte Ölkonzern Russlands. Die russische Börse reagierte umgehend. Die Yukos-Aktien sackten erneut um acht Prozent ab.

In Russland ist ein Machtkampf zwischen den alten Gefolgsleuten von Expräsident Boris Jelzin, zu denen auch die Oligarchen zählen, und den Angehörigen der Sicherheitsdienste in Gang, die Präsident Putin nach Moskau gebracht hat. Letztere verlangen mehr Macht und eine straffe Kontrolle über die Wirtschaft.

Putin hat immer wieder betont, die Yukos-Affäre bedeute nicht, dass die Privatisierung der 90er-Jahre rückgängig gemacht werde. Doch durch den dramatischen Schritt vom Donnerstag wurde der Verdacht weiter verstärkt, die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft würden sich bald auf andere Oligarchen ausweiten, welche durch die Insiderprivatisierung Mitte der 90er-Jahre reich geworden sind. Die Ölfirma TNK ist ebenso ins Visier der Ermittler gerückt wie Wladimir Potanins Norils Nickel.

Yukos war seit Wochen Ziel von Untersuchungen der russischen Staatsanwaltschaft. Bisheriger Höhepunkt der Krise war die Festnahme Chodorkowskis, hinter der politische Gründe vermutet wurden: Der gewiefte Geschäftsmann sei dem Kreml vor der Parlamentswahl im Dezember zu mächtig geworden, hieß es beispielsweise. Die Attacken der Generalstaatsanwaltschaft begannen, nachdem Chodorkowski öffentlich erklärt hatte, er unterstütze die liberalen Parteien Jabloko und Union der Rechten Kräfte.

ZITA AFFENTRANGER