: Massengrab Karstadt
Historie eines Kaufhauses: In der Nacht zum 30. Juli 1943 bombten alliierte Flieger das Karstadt-Warenhaus Barmbek in Schutt und Asche. 370 Menschen starben im Luftschutzbunker unter einem der größten Konsumtempel in ganz Europa
Von Bernhard Röhl
„In der Nacht vom 30. Juli 1943 starben im Luftschutzbunker an der Hamburger Straße bei einem Bombenangriff 370 Menschen. Diese Toten mahnen: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“: So steht es an einem Denkmal an der Ecke Hamburger Straße/Mundsburger Damm. Die Friedensinitiative Barmbek-Uhlenhorst hatte die Idee für dieses Mahnmal, das von der Bildhauerin Hildegard Huza geschaffen und am 30. Juli 1985 eingeweiht wurde. Die Gedenkstätte zeigt eine menschliche Figur aus Kalkstein, die sich an einer Mauerecke niederkauert.
In der Nacht vom 24. auf den 25. Juli 1943 hatte die Angriffsserie der britischen und amerikanischen Bomber auf die Hafenstadt begonnen. Im Warenhaus Karstadt Barmbek in der Hamburger Straße befand sich damals ein „öffentlicher Luftschutzraum“, und außerdem gab es einen „Personalbunker“. Auf dem Dach des Warenhauses stand eine Scheinwerferstellung der Flak (Flugabwehrkanone), die mit den in den Himmel gerichteten Lichtkegeln die Bomber sichtbar machen sollten, um sie abzuschießen.
Die Menschen, die in der Nacht zum 30. Juli nach dem Heulen der Sirenen in den Luftschutzraum flüchteten, ahnten nicht, dass sie nur noch eine kurze Zeit am Leben sein würden. Gegen 1.05 Uhr trafen die ersten Sprengbomben das Karstadt-Gebäude. Fünf Minuten später fielen weitere Bomben. Nach zehn Minuten stürzte ein Gebäudeteil an der damaligen Rönnheidstraße ein. Später brach die zweite Gebäudefront zusammen und verschüttete den Eingang zum Luftschutzkeller.
Rund 370 Männer, Frauen und Kinder starben durch eine Kohlenoxydvergiftung, vermutlich war die Todesursache Koks, der im Keller in Brand geraten war. Hinter den verschütteten Zugangstüren lagen die Toten – nach einem ärztlichen Bericht wurden sie so aufgefunden, als ob sie ruhig eingeschlafen wären.
Am Morgen nach dem Angriff konnten gegen zehn Uhr fast 1.200 Menschen lebend aus dem „Personalbunker“ des zerbombten Warenhauses geborgen werden. Der Luftkrieg vernichtete insgesamt 85 Prozent des Arbeiterstadtteils Barmbek.
So endete das 1928 in großem Glanz eröffnete Karstadt-Warenhaus in Barmbek – es zählte damals zu den größten Konsumtempeln in ganz Europa. Rolltreppen, sechs Personenfahrstühle, 32 Schaufenster und ein Dachgarten stürzten in sich zusammen.
Der Dachgarten mit seiner Lichtsäule hatte um 1928 als das „Symbol des neuen Barmbek“ gegolten. In seinem Buch „Das alte Barmbek“, das 1977 erschienen ist, schwelgte Fritz Lachmund in Erinnerungen an ebenjenes Karstadt-Kaufhaus: „Der Dachgarten hat bei allen, die ihn einst betraten, eine bleibende Erinnerung hinterlassen. Bei einem Gedeck für ein paar Mark konnte man die ringsum sich bietende schöne Aussicht genießen, während aus dem Inneren die zarten Weisen einer renommierten Tanzkapelle klangen, die zum Fünfuhr-Tee aufspielte.“ Das allerdings war nur ein Teil der Realität: In seinen großen Schaufenstern präsentierte der Karstadt-Konzern zeitgleich kriegsverherrlichende Dekorationen mit militaristischem Charakter.
Am 11. März 1933, Hitler hatte unterdessen die Macht an sich gerissen, zogen SA-Marschierer drohend vor dem großen Karstadtgebäude in der Mönckebergstraße auf und zwangen die Geschäftsleitung zur Schließung des Betriebs. Der Druck der Braunhemdenschläger und die Mitglieder der Nationalsozialistischen Betriebszellen-Organisation (NSBO) veranlassten die Firmenleitung der Karstadt AG, zum 1. April 1933 sämtliche jüdischen Mitarbeiter hinauszuwerfen. Die jüdischen Aufsichtsratsmitglieder waren bereits zuvor zurückgetreten, um den Entlassungen nicht zustimmen zu müssen.
Zwei Jahre vor den „Nürnberger Gesetzen“ behauptete die Konzernleitung von Karstadt, dass Juden „keine vollwertigen und gleichberechtigten Staatsbürger“ und deshalb auch „keine vollwertigen Mitarbeiter“ mehr seien. Der Justitiar Dr. Ahlburg behauptete, die Angehörigen der „jüdischen Rasse“ müssten „als wesensfremde Eindringlinge in den Deutschen Volkskörper betrachtet werden, deren auf den Trümmern des Weltkriegs und mit Hilfe der Kriegsmeuterer in Deutschland aufgebaute Machtposition restlos gebrochen und beseitigt werden muss, wenn das deutsche Volk und die deutsche Kultur nicht untergehen soll“.
Nach 1945 freilich setzte der Konzern seine Geschäfte fort und profitierte vom „Wirtschaftswunder“. Noch vor zwei Jahren herrschte „wieder Kaufregung bei Karstadt!“. Smart-Wagen, Mallorca-Reisen und Warengutscheine wurden verschenkt.
Jetzt sorgen sich die abhängig Beschäftigten des Konzerns um ihre Jobs: „Der Kapitalismus schafft eben die Arbeit ab“, spottete der Kabarettist Werner Schneyer bereits vor Jahren.