: berliner szenen Ausflug zur Autobahn
Jungfräulicher Asphalt
Autobahnen sind toll. Jedenfalls wenn noch keine Autos auf ihnen fahren. In Neukölln lädt im Moment die Verlängerung der A 100 zum Spaziergang ein. Der ist am schönsten, wenn noch gebaut wird. Die Arbeiter ignorieren einen, auch wenn man statt Helm nur Pudelmütze trägt. Ein wenig kompliziert ist der Zugang.
Empfehlenswert ist die tote Kanalbrücke Sieversufer, von der Buschkrugallee den Melitta-Fabrik-Schildern folgen. Man klettert über einen Bauzaun und schiebt den zweiten zur Seite. Schon steht man vor einer fünf Meter hohen, vielleicht 200 Meter langen, nagelneuen Betonspundwand. Die ist völlig graffitifrei– Sprayer, was ist mit euch los? Die Autobahn erklimmt man über den frisch aufgeschütteten Erdwall, der dabei leider ein wenig von seiner akkuraten Glätte verliert. Neben der Lärmschutzwand in Ökoausführung Holz betreten wir die Strecke.
Der Asphalt ist noch fast jungfräulich schwarz. Herrlich die Aussicht von hier oben. Schon überqueren wir die Kreuzung Teltow Kanal und Britzer Verbindungskanal. Lkws mit frischem Asphalt brettern manchmal vorbei, man arbeitet an diesem Freitagnachmittag noch an einer Ausfahrt. Toll zu sehen von hier ist der sich auf der Philip-Morris -Fabrik drehende riesige Marlboro-Mann, der seinen Sattel schleppt. Dann gibt’s die PUK-Werke, eine große Kühlhalle mit Lkws und hinten die zu Mauerzeiten an der Grenze stehende Jacobs-Fabrik in ihrem typischen Dunkelbraun. Um den Ausflug abzurunden, könnte man später noch beim Leiser-Schuh-Fabrikverkauf kurz vorm Arbeitsamt Neukölln vorbeiradeln. Oder beim Fabrikshop der Marzipan-Rohmasse-Fabrik an der Auffahrt zur alten Späthstraßenbrücke, die wegen der Autobahn abgerissen wurde. ANDREAS BECKER