: Suchspiel im Fundamt: Karten statt Computer
Ein Jahr nach dem Umzug in die Stresemannstraße verzeichnet das Fundamt die Fundstücke noch immer auf Karteikarten – „Personalengpass“
bremen taz ■ Wie Schweinehälften hängen sie im Keller des Bremer Fundamts. Eins neben dem anderen ordentlich aufgehängt, links für die Damen, rechts für die Herren. Drahtesel weg? Wer seinen eigenen hier unter den 800 vermutet, muss persönlich vorbeikommen und suchen. Gleiches gilt für Schlüssel. Wegen anderer vermisster Gegenstände kann man immerhin anrufen – dann suchen die freundlichen Mitarbeiter des Fundamtes ihre Karteikarten durch.
Karteikarten? Genau. Ausgerechnet in Bremen, dem Land, das ein 50 Millionen Euro schweres Programm für die Förderung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien aufgelegt hat, Motto: „Informationen bestimmen unser Leben“?
Computer sind in den Räumen in der Stresemannstraße durchaus vorhanden. Allein die Software fehlt. In Hamburg, aber auch im Bremer Umland ist es längst möglich, Verlorenes im Internet zu recherchieren. Wer dort sein Fahrrad vermisst, kann über Sucheingaben wie Rahmenfarbe, Größe und besondere Merkmale binnen Minuten herausfinden, ob sich der Weg ins Fundamt lohnt. Sogar Bilder von den verlorenen Sachen werden ins Netz gestellt. Auch Tiere können so gesucht werden. Noch ein Vorteil: Die Suche hört nicht an der Landesgrenze auf. Die Anbieter der virtuellen Fundbüro-Software ermöglichen den Zugriff auch auf Seiten anderer Gemeinden.
Auch die Bremer Sachensucher sollen bald im Computerzeitalter ankommen, beschwichtigt der Leiter des Bremer Stadtamtes, Hans-Jörg Wilkens. Im nächsten Jahr will er die Neuerung eingeführt haben. Viele hatten gehofft, dass mit dem Umzug aus dem Viertel in die Stresemannstraße die mühselige Suche im Stil von anno dunnemal ein Ende haben würde. „Personalengpässe verhindern zur Zeit die Installation einer Software“, sagt Wilkens.
Allerdings: Nicht ganz Bremen lebt hinter dem Informatik-Mond. Die Polizei etwa erfasst in ihrem Computersystem alles, was „individuell zugeordnet werden kann“, wie es ein Beamter ausdrückt, was also etwa eine eindeutige Nummer trägt. Handys und Fahrräder haben hier ihre eigene Datenbank. Die Ermittlungsgruppe Fahrraddiebstahl trägt alle bei ihnen freiwillig oder erzwungenermaßen abgegebenen Räder ein – sofern sie eine Rahmennummer haben. Dann sind gar europaweite Fahndungen möglich.
Wer also sein Rad vermisst, sollte es zuerst bei der Polizei als gestohlen melden und hoffen, dass es dort im Computer auftaucht. Die Räder selbst werden je nach Platz auf den Wachen früher oder später zum Fundamt transportiert – in Bremen 100 bis 150 in jedem Monat. Seltener werden Räder auch direkt dort abgegeben. Zwanzig bis dreißig Mal im Vierteljahr komme das vor, sagt Petra Konzok vom Fundamt. Die Polizei erfährt allerdings nicht sofort davon und kann erst entsprechend später den Besitzer oder die Besitzerin verständigen. Nur einmal im Monat geht ein Fax mit den Neueingängen an die Ordnungshüter raus. „Es gibt bisher kein standardisiertes Verfahren, um Räder, die beim Fundamt liegen, mit den Daten der Polizei abzugleichen“, bestätigt Polizei-Sprecher Dirk Siemering. Bevor allerdings ein Rad nach sechs Monaten öffentlich versteigert wird, rufen die Fundamts-Leute noch einmal bei der Polizei an – zur Sicherheit.
Den Weg ins Fundamt erspart das nicht: Häufig werden die Rahmennummern unkenntlich gemacht und sind deshalb nicht bei der Polizei erfasst. Oder die heiß geliebte Klapperschese kam ihr 50-jähriges Leben lang ohne Nummerierung aus.
Sabine Henßen/Eiken Bruhn