: Deutsche Entwicklungshilfe für die Nato
Verteidigungsminister Jung sieht sein Konzept der „vernetzten Sicherheit“ als Erfolgsmodell für Afghanistan und für eine Nato-Strategie. Auch Entwicklungs-Staatssekretär Stather ist für Kommunikation mit dem Militär – nicht aber für mehr Truppen
VON ULRIKE WINKELMANN
Mit stolzgeschwellter Brust reist Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) am Freitag zum Natogipfel in Baden-Baden und Straßburg. Die Bundesregierung nimmt für sich in Anspruch, sich mit ihrem „umfassenden“, nämlich zivilen und militärischen Afghanistankonzept durchgesetzt zu haben – jetzt, da auch die neue US-Regierung unter Barack Obama den zivilen Aufbau in Afghanistan stärken will.
Die Idee des „vernetzten“ oder „umfassenden“ Ansatzes, des „comprehensive approach“, in dem Staats- und Wirtschaftsaufbau mit militärischem Schutz zusammengehen, soll auch in die neue Nato-Strategie einfließen, die auf dem Nato-Gipfel in Auftrag gegeben werden soll. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte jüngst im Bundestag, dazu müsse die Nato mit UNO, OSZE und sogar Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeiten: Das sei „vergleichsweise revolutionär“.
Der Afghanistaneinsatz steht also nicht nur deshalb im Zentrum der Nato-Debatte, weil er der bei weitem brisanteste und größte der Nato-Geschichte ist. „Die Nato darf in Afghanistan nicht scheitern“: Dieses Mantra der Nato-Politiker und -Generäle bedeutet auch, dass die Nato in Afghanistan nach einer Arbeitsweise sucht, die zukunftstauglich sein könnte.
Was der Verteidigungsminister meint, wenn er seinen vernetzten Ansatz anpreist, bleibt allerdings stets etwas diffus. Nichtmilitärs denken, dass eine Zusammenarbeit von Bundeswehr und Entwicklungshilfe selbstverständlich sei. Doch das ist es gerade nicht. Zwar solle man „vielleicht solche Begriffe nicht ganz so hoch hängen“, sagt der Staatssekretär im Entwicklungsministerium Erich Stather (SPD) über den „vernetzten Ansatz“. Doch „es war sehr schwer, der Bundeswehr beizubringen, dass der zivile Aufbau der militärischen Strategie nicht einfach nachfolgt“, erklärt er.
Entwicklungsarbeiter haben einen anderen Begriff von Sicherheit als Militärs. Auch die Nichtregierungsorganisationen treten ungern gemeinsam mit Soldaten auf – dies vermindere ihre Sicherheit eher, als sie zu erhöhen, heißt es, und schreckt die Afghanen ab. In Kundus verfolgt das Entwicklungsministerium seine Bildungsprojekte nicht etwa im Bundeswehrcamp, sondern in der Stadt.
Zunächst habe die Kommunikation zwischen den Ministerien „geholpert“. Eine Staatssekretärsrunde verwirkliche nun seit zwei Jahren den vernetzten Ansatz. So habe sich die Runde einigen können, sich in der Provinz Balch, wo das Innenministerium in die Polizeiausbildung investiert, auch um die Errichtung des Justizwesens zu kümmern. Diese Kooperation wäre früher so nicht möglich gewesen.
Wie nun die Aufstockung der Truppen zum „comprehensive approach“ passt, ist Stather unklar. „Ich bin erstaunt, dass die USA jetzt doch 17.000 mehr Soldaten schicken wollen und auch die Bundeswehr zu den afghanischen Wahlen hin aufstockt, wenn man doch weiß, dass der Konflikt militärisch nicht zu lösen ist.“