palastrevolte : Schrille Töne im Fun Palace
Am Wochenende war aus dem Volkspalast anschwellender Theoriegesang zu vernehmen, dessen Anlass eine Architekturkonferenz war, gewidmet dem geistigen Vater aller Volks- und Kulturpaläste sowie Großraumkulturfabriken à la Centre Pompidou, dem britischen Architekten Cecil Price. Und natürlich der Zukunft des Areals, das je nach Lagerzugehörigkeit Schlossplatz oder Palast der Republik genannt wird.
Price’ offener und variabler Raum sollte für eine künftige Nutzung des Ortes so eine Art Vorbild sein, und bei manch allzu euphorischem Beitrag stellte sich beim Zuhören doch ein etwas klammes „Back to the future“-Gefühl ein, schließlich befand man sich bereits in der Ruine der gescheiterten Form eines sozialistischen Fun-Palace, der vom Konzept her wie auch als Bau mit dem Price-Plan erstaunliche Ähnlichkeit hatte.
Bei vielen angereisten und heimischen Stars der Architektur und Architekturkritik (von Bruno Flierl bis Rem Koolhaas und Mark Wigley) herrschte aber beruhigender Konsens darüber, dass der Fun Palace lediglich theoretisch eine spannende Idee gewesen, und auch für den Ort nicht wirklich die ideale Zukunftslösung sei.
Auffällig waren schrille Tonlagen besonders von manch heimischem Vertreter gegenüber den Befürwortern einer Schlossrekonstruktion (von denen sich leider niemand auf dieser Konferenz befand), die in der Bemerkung des Berliner Architektursoziologen Werner Sewing gipfelte, die Entscheidung für die Rekonstruktion sei symbolisch als eine Art Beschwörung des Wilhelminismus zu verstehen, womit er auch nicht mehr historisches und städtebauliches Reflexionsvermögen bewies als seinerzeit Schlosssprenger Walter Ulbricht.
Daran kranken leider fast alle Plädoyers für den Erhalt des Palasts der Republik, dass der Schlossrekonstruktion eine eher unreflektierte und gelegentlich sogar denunziatorische Ablehnung entgegengebracht wird, die eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Argumenten bis jetzt nicht erkennen ließ. Aber das kann sich ja ändern, der Anfang ist gemacht.
Und allen Abrissfanatikern sei hiermit Rem Koolhaas’ Wort des Wochenendes übermittelt: „Waiting is the perfect attitude.“ Cecil Price selbst übrigens ist Ende der 90er-Jahre in einen heftigen Streit mit Denkmalschützern geraten, die sein „Interaction Center“ im Londoner Stadtteil Camden vor dem Abriss retten wollten. Aus seiner Sicht sollte kein Gebäude länger als 50 Jahre stehen. Nicht einmal sein eigenes, das, so meint er, das Verfallsdatum schon im zarten Alter von 27 Jahren erreicht hatte.
Am Wochenende wird der Palast aber erst einmal wieder aufgebaut. Denn dann kommt Ruedi Häusermann, Schweizer Theatermann und Querflötenspieler. Sein Baukombinat weist so erfahrene Fachkräfte wie Josef Bierbichler und Armin Dallapiccola auf. Außer Landsmann Christoph Marthaler gibt es wahrscheinlich keinen, der sich mit solcher Virtuosität um die Kunst des Schrulligen verdient gemacht hätte.
Die Poesie von Häusermanns Theaterabenden ist berüchtigt und wird hoffentlich noch den verknöchertsten Ideologen zum Schmelzen bringen. Natürlich geht es auch in „Richtfest“ um die Zukunft des Palasts, die von drei Theateringenieuren in einem kleinen Parcours in strahlendsten Farben ausgemalt wird. Ein Laienchor aus Bauleuten wird die Besucher auf ihrem Weg begleiten.
ESTHER SLEVOGT
„Richtfest. Erste öffentliche Begehung“ hat Samstag, 23. Oktober, Premiere. Start um 15 Uhr