: „Die Berliner sind ganz gut gefeit“
Innensenator Körting (SPD) plädiert angesichts von Umfragewerten und den Aktivitäten Brandenburger Rechtsextremisten in der Hauptstadt für Nüchternheit: Eine Demokratie könne das in Ruhe beobachten
taz: Herr Körting, laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Forsa würden sechs Prozent der Berliner bei den nächsten Wahlen rechtsradikale Parteien wie NPD oder DVU wählen. Macht Ihnen das Sorge?
Ehrhart Körting: Natürlich macht es mir Sorge, dass es in Berlin ein Wählerpotenzial von mehr als fünf Prozent gibt, das rechtsextremistisch wählen könnte. Aber man muss das Ganze nüchtern sehen. Solche Prozentzahlen sind nicht nur Ausdruck einer rechtsextremistischen Grundhaltung, sondern auch Teil einer Proteststimmung gegenüber der etablierten Politik.
Wie meinen Sie das?
Ich würde sagen, dass die Wahlerfolge von NPD und DVU in Sachsen und Brandenburg den Ausschlag für die sechs Prozent in der Berliner Umfrage gegeben haben. Den wirklich harten Kern rechtsextremistischer Wähler in Berlin würde ich nach wie vor wesentlich geringer einschätzen. Das haben bisher alle Wahlen in Berlin gezeigt. Die einzige rechtsextreme Partei, der es gelang, ins Abgeordnetenhaus einzuziehen, waren 1989 die Republikaner. Normalerweise liegt das Wahlergebnis von Parteien wie der NPD kaum höher als ein Prozent. Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt sind ganz gut gefeit.
Haben Sie dafür eine Erklärung?
In einer Stadt, in der das tägliche Miteinander mit Ausländern selbstverständlich ist, ist es schwerer, mit Anti-Ausländer-Parolen zu landen, als in Brandenburg oder Sachsen, wo es kaum Ausländer gibt.
Der „Märkische Heimatschutz“, eine rechtsextremistische Organisation aus Brandenburg, hat jetzt in Berlin eine Sektion gegründet. Wie bewerten Sie das?
Das beunruhigt mich weniger. Der „Märkische Heimatschutz“ ist ein relativ kleiner Verband, der offensichtlich versucht, innerhalb der Kameradschaftsszene in Berlin Mitglieder zu fischen. Ich bewerte das eher so, dass sich das kleine Rechtsextremismus-Spektrum in Berlin neu sortiert, als dass die Gruppen im Begriff sind, ihren Einfluss auszuweiten. Wenn nur die Namensschilder bei den Rechtsextremisten ausgewechselt werden, ohne dass sich die Zugkraft und Mitgliederzahlen erhöhen, ist das kein Grund zu übertriebener Sorge.
Auch Neubildungen von Kameradschaften sind nichts Ungewöhnliches?
Solche Bewegungen hatten wir auch schon in der Vergangenheit – von der NPD weg hin zu den Kameradschaften. Zurzeit ist mal wieder eine Entwicklung hin zur NPD zu beobachten. Das gilt auch für die Absichtserklärung von NPD und DVU, zusammen mit anderen Wahlbündnisse zu bilden. Solange es dabei bleibt, kann eine Demokratie das in Ruhe beobachten.
Die Brandenburger Rechtsextremisten wollen Geld und Personal in die Hauptstadt pumpen – ist das keine neue Qualität?
Ich würde das nicht zu hoch hängen. Wenn irgendwelche Leute der rechtsextremen Szene mit besonders markigen Parolen auftreten und wir diese Parolen ungeprüft als Bedrohung unserer Grundordnung ansehen, betreiben wir ungewollt Propaganda. In diesem Sinne möchte ich davor warnen, immer gleich in Panik zu verfallen, wenn es sich um Maulhurerei handelt. Anders, wenn Rechtsextremismus gefährlich wird: Das muss deutlich gesagt werden.
INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE
Hinweis: Ehrhart Körting (SPD). Der 62-Jährige ist seit Juni 2001 Berlins Innensenator