: Binnenmeer in Gefahr
Jahrestag der Prestige-Havarie: 250.000 tote Vögel gezählt. WWF warnt vor den Folgen einer Ölpest in der Ostsee. Risiko wird mit stark wachsendem Verkehr immer größer
Hamburg taz ■ Der Untergang des Öltankers „Prestige“ vor der nordspanischen Küste im November 2002 hat 250.000 Seevögel das Leben gekostet. Nach Schätzung des World Wildlife Fund (WWF) wird sich der Schaden an der Natur und der Wirtschaft der Provinz Galizien bis 2010 auf fünf Milliarden Euro belaufen. Das Unglück sei das schlimmste seit dem Untergang der „Exxon Valdéz“ vor der Küste Alaskas 1989 gewesen. „Sollte ein ähnlicher Unfall in der Ostsee passieren, wären die Auswirkungen noch dramatischer“, befürchten die Umweltschützer.
Deutschland müsse daher international für die Anerkennung des Binnenmeeres als besonders empfindliches Meeresgebiet (PSSA) kämpfen, verlangte Jochen Lamp vom Ostsee-Büro des WWF. Dieser Status erlaubt es der Internationalen Schifffahrtsorganisation (IMO) allgemein gültige Schutzvorschriften zu erlassen.
Von den 77.000 Tonnen Schweröl, mit denen die Prestige beladen war, sind 64.000 Tonnen in den Atlantik geflossen, bevor das Schiff sank. Das Öl verschmutzte einen Küstenstreifen von 3.000 Kilometern Länge. 5.000 bis 10.000 Tonnen Öl sind bis heute nicht geborgen worden. „Klumpen davon stranden täglich an der kantabrischen Küste“, berichtete WWF-Meeresreferent Raúl García.
Er kritisierte, dass die Küste zwar optisch gesäubert wurde. Es sei jedoch eine Menge Öl auf den Meeresboden gesunken. „Diese verborgenen Ölteppiche gilt es zu identifizieren und genau zu beobachten“, forderte Raúl. Die Fischer müssten mit langfristigen Folgen rechnen. Nach dem Untergang des Tankers „Agean Sea“ 1992 seien die Fänge auf ein Drittel zurückgegangen.
Für die Ostsee ist ein ähnlicher Unfall wahrscheinlich. Seine Folgen wären schlimmer und länger zu spüren als im Atlantik, wie Lamp ausführte. Die auf der Ostsee transportierte Ölmenge hat sich zwischen 1997 und 2002 auf 40 Millionen Tonnen verdoppelt. 2005 werden es wohl 80.000 Millionen sein. Immer mehr und größere Schiffe erhöhen das Unfallrisiko in den engen, flachen Wasserstraßen.
Ausgetretenes Öl würde wegen der niedrigen Temperaturen im Winter nur zu einem geringen Teil verdunsten. Die Schadstoffe blieben dem Binnenmeer, dessen Wasser etwa 30 Jahre braucht, um sich gegen das aus der Nordsee auszutauschen, lange erhalten. Gernot Knödler