Zu Lasten der Armen

Diakonie geißelt Politik von Sozialsenatorin Schnieber-Jastram: Missbrauch von Hilfeleistungen überbewertet, keine Stimme für Obdachlose

„Durch die Sparpolitik der Senatorin gerät der einzelne Mensch aus dem Blick“

von EVA WEIKERT

Das Diakonische Werk hat Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) ein denkbar schlechtes Zeugnis ausgestellt. Die Diakonie bescheinigte ihrer Politik falsche Schwerpunkte, große Lücken sowie Mängel bei der Umsetzung guter Ideen. Anlass für die Kritik ist eine Zwischenbilanz, die Schnieber-Jastram zur Halbzeit der Legislatur kürzlich vorgestellt hatte. Darin hatte sie sich gerühmt, der Stadt „das richtige Maß“ zurückgegeben zu haben und gewarnt, „Missbrauch staatlicher Hilfe“ zielstrebig zu bekämpfen. Landespastorin Annegrethe Stoltenberg rügte jetzt: „Das Hauptziel solcher Politik ist nur noch die Kostensenkung.“

Die Bekämpfung von Sozialhilfemissbrauch ist eine „wichtige Aufgabe“, räumte Diakonie-Sprecherin Katharina Weyandt ein. Die Behörde betone das Thema jedoch in einem Maße, das der Missbrauchsrate nicht entspreche: Nur zwei Prozent aller Sozialhilfeempfänger bekämen die Unterstützung zu Unrecht, wie Schnieber-Jastrams Behörde selbst ermittelt hat. „Um das soziale Klima in Hamburg nicht weiter zu verschlechtern, ist eine ausgewogene Betrachtung nötig“, mahnte die Diakonie.

Für falsch halten die Sozialarbeiter der evangelischen Kirche zudem Kürzungen der Stütze. Die Behörde hatte Leistungen wie Kleidergeld und Sozialticket gekappt respektive komplett gestrichen mit der Begründung, Hamburg sei spendabler als andere Großstädte. „Hamburg ist eine teure Stadt, und die Angleichung an das Niveau anderer Städte darum falsch“, begründete die Diakonie ihre Kritik.

Die Mängelliste führt auch das vom Rechts-Senat eingerichtete geschlossene Heim für jugendliche Straftäter an der Feuerbergstraße auf. In ihrer Halbzeitbilanz hatte Schnieber-Jastram es als Errungenschaft gepriesen, die in Hamburg „eine Lücke geschlossen hat“. Wie die Diakonie jedoch bemängelte, ist seit der Eröffnung Anfang 2003 die Hälfte der eingewiesenen Jugendlichen mindestens einmal ausgerissen. Zugleich seien weniger als 50 Prozent der zwölf Plätze derzeit belegt. Durch die mangelnde Auslastung entstanden der Stadt allein bis August zusätzliche Kosten in Höhe von 529.000 Euro, wie die Diakonie errechnete. „Die fehlen der Jugendhilfe nun an anderer Stelle.“

Empört zeigten sich die christlichen Helfer zudem über die Vernachlässigung der Wohnungslosen. Obwohl die Zahl der Obdachlosen weiterhin ansteige und die Unterkünfte überfüllt seien, spare die Behörde beim Winternotprogramm und bei der Beratung der Wohnungslosen. Das Notprogramm ist von sechs auf fünf Monate verkürzt worden. Der Diakonie zufolge müssen die sieben Beratungsstellen in den Bezirken „massiv“ Sachkosten einsparen und je eine halbe Planstelle abbauen. „Wir haben kaum Geld, um einen Gast zum Kaffee einzuladen“, empörte sich Uwe Martiny, Sozialarbeiter in der Tagesaufenthaltsstätte Bundesstraße. Landespastorin Stoltenberg rügte, durch die Sparpolitik „gerät der einzelne Mensch aus dem Blick.“