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Archiv-Artikel

Schon wieder Geschichte

Nach dem 2:0-Erfolg im WM-Qualifikationsspiel in Wales ist die Nationalmannschaft vor allem damit beschäftigt, einen handgreiflichen Zwist zwischen Kapitän Ballack und Podolski herunterzuspielen

AUS CARDIFF RALF SOTSCHECK

Dann wurde es doch noch einmal lebhaft. Eigentlich war das Spiel bereits gelaufen, die deutsche Fußballnationalmannschaft führte im WM-Qualifikationsspiel gegen Wales im Millennium-Stadion von Cardiff mit 2:0, und auf dem Platz passierte nicht mehr viel. Da gab Mannschaftskapitän Michael Ballack seinem Kollegen Lukas Podolski lautstarke Anweisungen, woraufhin dieser handgreiflich wurde. Philipp Lahm und Per Mertesacker mussten dazwischengehen, um Schlimmeres zu verhindern. Trainer Joachim Löw stellte sich auf Ballacks Seite. Er wechselte Podolski kurz darauf aus und sagte nach dem Spiel: „Klar ist, dass Anweisungen vom Kapitän umgesetzt werden müssen.“ Ballack bezeichnete den Schubser von Podolski als „unschön“, spielte die Sache aber herunter. Podolski sagte, er sei nun mal einer, der Emotionen zeige. Auch die DFB-Führungsriege wiegelte ab: Konsequenzen seien für Podolski nicht zu befürchten.

Möglicherweise war Ballack verärgert, dass sein Team trotz der 2:0-Führung alles andere als souverän wirkte. Vor allem die Verteidiger Andreas Beck und Serdar Tasci machten Fehler, so dass die Waliser, die sich nach dem frühen 1:0 durch Ballack eigentlich schon aufgeben wollten, nun beschlossen, es doch nicht zu tun. So entwickelte sich in der ersten Halbzeit ein munteres Spiel, und hätten die Waliser in Tornähe nicht so furchtbar umständlich gespielt, hätten sie womöglich ein Tor erzielt – es wäre das erste gegen Deutschland seit sieben Jahren gewesen. Nach dem Eigentor von Ashley Williams kurz nach der Halbzeitpause war alles vorbei. Mario Gomez, der sich an der Torauslinie den Ball erkämpft hatte und ihn Williams perfekt servierte, mochte sich das Tor nur halb anrechnen: „Klares Eigentor. Aber Einsatz wird belohnt.“

Der walisische Trainer John Toshack war nach dem Spiel wütend und beschuldigte den norwegischen Schiedsrichter Terje Hauge. Mittelfeldspieler Aaron Ramsey war zur Seitenlinie geeilt, um einen Einwurf auszuführen, der aber den Deutschen zugesprochen wurde, und hatte Ballack ungedeckt gelassen. Gegen dessen feinen Weitschuss war Torwart Wayne Hennessey machtlos. „So eine lächerliche Fehlentscheidung kommt nicht mal beim Freizeitfußball im Llandaf-Park von Cardiff vor“, wetterte Toshack. Ballack räumte ein, dass es wohl eigentlich ein walisischer Einwurf gewesen sei. „Aber das passiert beim Fußball eben manchmal“, sagte er. „Und nun ist es Geschichte.“

Die zweite Fehlentscheidung war nach Toshacks Meinung der nicht gegebene Elfmeter nach einem Handspiel von Tasci in der ersten Halbzeit. „Das war nicht nur ein Elfmeter, es hätte auch die rote Karte geben müssen“, ereiferte sich Toshack.

Genauso schrill, wie der Abend endete, hatte er auch begonnen: Der Tenor, den der Verband angeheuert hatte, schmetterte die walisische Nationalhymne derart inbrünstig, dass die Stadionlautsprecher schepperten und sich das Publikum die Ohren zuhielt. Auch die späteren Stadionansagen waren ob ihrer Lautstärke schwer zu ertragen, aber wenigstens sprach der Ansager die deutschen Namen völlig fehlerfrei aus, was in Großbritannien unüblich ist.

Während für die Deutschen die Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Südafrika im nächsten Jahr in Sichtweite ist, geht es für die Waliser nur noch darum, wenigstens den dritten Platz zu erreichen, damit man in der Fifa-Rangliste nicht noch weiter absackt. Dabei soll ihnen vor allem Ramsay helfen. Der erst 18-jährige vom FC Arsenal war der herausragende Spieler im walisischen Team. Es war sein drittes Länderspiel, aber das erste, das er von Anfang an bestritt. Thomas Hitzlsperger und Simon Rolfes hatten alle Mühe mit dem schnellen Waliser. Ramsays Pech ist der falsche Geburtsort. So wird er das Schicksal mit seinem Landsmann Ryan Giggs und dem Nordiren George Best teilen, die wegen der mangelnden Qualität ihrer Mitspieler nie an einer WM oder EM teilnehmen durften.