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Archiv-Artikel

Eine Frage der Kommunikation

Neun große Moscheeneubauten sind derzeit in Planung, die meisten sind umstritten. Jenseits von Bauträgern, Finanzen und Minaretthöhen sei entscheidend, wie und wann miteinander geredet wird, meinen Experten. Zwei gegensätzliche Beispiele

VON ADRIENNE WOLTERSDORF

„Kein zweites Kreuzberg“ ist eines der Argumente, mit denen Gemeinden in Deutschland immer wieder ihre Ablehnung eines Moscheebauprojektes begründen: Kreuzberg als multikulturelles Schreckensbild. Nicht immer wird offen über die Vorbehalte diskutiert, die sich gegen ein islamisches Bauprojekt auftun. Da werden Parkplatzprobleme, der Grünanlagen- und der Emissionsschutz bemüht und Argumente der Stadtentwicklung ausgebreitet: zu hoch, zu laut, zu fremd. Nur selten wird ein Genehmigungsantrag, wie in der hessischen Gemeinde Lauchingen, mit der Begründung abgelehnt, der geplante Bau sei „nicht orientalisch genug“.

Laut einer Umfrage des Spiegels sind die Deutschen in puncto Moscheebauten gespalten. 46 Prozent sind dafür, genau so viele lehnen sie prinzipiell ab. Ein generelles Nein aber verbietet das Grundgesetz: Es garantiert allen Bürgern die freie Religionsausübung – und damit die Möglichkeit, ihren Glauben auch architektonisch zu behausen.

Den Gläubigen gilt die Zeit der Hinterhof-Existenzen als passé, ein Zeichen für neues Selbstbewusstsein. Die orientalisch gehaltenen Entwürfe der insgesamt neun Großprojekte in der Stadt wollen zeigen: Wir sind hier, wir verstecken uns nicht länger. So unterschiedlich die Bauherren und die Lage der Moscheen, Diskussionen um ihre Errichtung gibt es fast überall. Der Berliner Integrationsbeauftragte Günter Piening spricht von einem „generellen Akzeptanzproblem“ neuer Moscheen. Entscheidend, so zeigen es wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema, ist die Art und Weise, wie und wann miteinander geredet wird. Alles eine Frage der Kommunikation? Zwei gegensätzliche Beispiele:

So richtig glatt ging zunächst alles in der Weddinger Koloniestraße. Im umliegenden Soldiner Kiez gibt es bereits vier Moscheen und islamische Vereine, der Ausländeranteil unter den Bewohnern liegt bei 40,9 Prozent. Die deutschen Anwohner seien, so heißt es beim Quartiersmanagement, „eher mit der Bewältigung ihres eigenen Alltags beschäftigt“. Der Haci Bayram Moscheeverein suchte schon zu Beginn seines Bauprojektes Rat beim zuständigen Quartiersmanagement. „Wir laden immer alle Nachbarn ein und gehen auch in die Schulen und zu Diskussionsveranstaltungen, zum Beispiel mit den Kirchen“, erklärt Ahmed Durak vom Moscheeverein. Der Bauplan, der eine alte Baulücke schließen soll, erhielt vom Bezirk Mitte bereits grünes Licht. Nur ein einziger Nachbar hatte Bedenken: Er fragte an, ob denn für den zu fällenden Baum eine Genehmigung vorläge.

Immerhin handelt es sich bei den Grundstückseigentümern und Bauherren um die Islam Vakfi e. V., zu Deutsch: Islamische Stiftung. Die ist eine eigenständige Organisation der Islamischen Föderation, die mit richterlichem Segen inzwischen als „Tarnorganisation der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG)“ bezeichnet werden darf. Die wird vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft und gilt mit ihren 3.700 Anhängern als weitaus größte islamistische Organisation der Stadt. Der Haci Bayram Moscheeverein selbst bestreitet, Verbindungen zu Milli Görüs zu haben, man sei lediglich Mieter der vorhandenen „Remise“, eines zweistöckigen Baus. Die Religionsforscherin Gerdien Jonker schreibt allerdings, dass „ein anderer Teil [von Milli Görüs] die Haci Bayram Moschee gründete, die noch heute zu den Milli-Görüs-Moscheen zählt“. Bezirksbürgermeister Joachim Zeller (CDU) hat dem Projekt ungeachtet dessen seinen Segen gegeben, er kam zum ersten Spatenstich. Inzwischen aber ist den rund 300 Moscheemitgliedern das Geld ausgegangen.

Anders ergeht es dem gleichen Bauherrn, der Islam Vakfi, in Kreuzberg, wo er in der Skalitzer Straße das Mevlana Kulturhaus errichten will. Hier stoßen die Initiatoren auf heftigen Widerstand. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Mevlana Moscheeverein gibt es die ebenfalls Milli Görüs nahe stehende Fatih-Moschee; nicht weit entfernt, in der Wiener Straße, in der Neuköllner Pflügerstraße und am Columbiadamm entstehen ebenfalls neue Moschee-Großbauten (siehe Spalte). Im umliegenden Kiez leben 38,8 Prozent Ausländer, dazu viele Migranten mit deutscher Staatsbürgerschaft. „Hier arbeiten vielfältigste soziokulturelle Projekte“, erläutert das zuständige Quartiersmanagement. Die Bevölkerung interessiere sich für diese Bauvorhaben, „allerdings mehr für die Frage der Nutzung als für die Architektur“.

Zu Beginn des Bauvorhabens hatte sich der Mevlana Moscheeverein an die Quartiersmanager gewandt, später aber die Zusammenarbeit eingestellt. Noch hat der Bezirk für Mevlana keine Baugenehmigung erteilt. Baurechtliche Bedenken werden angeführt.

Der Kreuzberger Baustadtrat, der Grüne Franz Schulz, setzt sich stets und unbeirrt für die „Kreuzberger Mischung“ ein, die andernorts als Schreckensbild dient. Schulz befürwortet, dass die Kreuzberger Moscheen aus den Hinterhöfen hervorgeholt und ins Straßenbild integriert werden. Nicht allein aus städteplanerischen Gründen, sondern „weil damit mehr Transparenz erreicht wird“.

Doch die scheint den Kritikern deutlich zu fehlen. So befürchtet der Islamexperte Ralph Ghadban, Dozent an der Evangelischen Fachhochschule, dass sich mit dem Bau dieser „islamischen Kulturzentren“ die Entwicklung der islamischen Parallelgesellschaft verstärkt, statt die Migranten zu integrieren. Denn in den Neubauten solle es nicht nur um die Befriedigung religiöser Bedürfnisse gehen, sondern „Aufgaben der Mehrheitsgesellschaft im Erziehungs- und im sozialen Bereich übernommen werden – auf der Basis des islamischen Rechts, der Scharia“.

Der Integrationsbeauftragte Piening hält es für falsch, gegenüber diesen Aktivitäten „den großen Verdachtshammer herauszuholen“. Er findet es nachvollziehbar, dass die muslimischen Vereine „ein Bedürfnis haben, mit der neuen sozialen Realität der Verarmung und Arbeitslosigkeit umzugehen“. Gerade Moscheen seien ein geeigneter Ort, um Jugendliche, die sonst „nicht mehr zu erreichen sind, anzusprechen“.

Der Mevlana Moschee e. V. gilt als Hauptzentrale der Berliner Milli Görüs. Der seit 1983 amtierende Vorsitzende des Moscheevereins, Mehmet Mahmut Gül, ist seit mehreren Jahren auch der Vorsitzende des Milli-Görüs-Landesverbandes Berlin. Vorerst scheint der rund 2,5 Millionen Euro teure Bau für die rund 1.200 Mitglieder zählende Mevlana Moschee auf Eis gelegt, sagt Mehmet Bayram, der Architekt der sechs Projekte der Islamischen Föderation. Wie im Wedding mangelt es auch in Kreuzberg am Geld. Bleibt ein kleineres Projekt, das einer Renovierung der jetzigen Vereinsräume gleichkomme. Dafür gibt es bereits eine Baugenehmigung.

Ob es überhaupt zu einem der sechs Großprojekte der islamischen Föderation kommen wird, scheint bei dem Dachverband gegenwärtig diskutiert zu werden. „Die ganze Atmosphäre dabei ist negativ“ beklagt sich Burhan Kesici, der Sprecher. Die Ablehnungen seien „eher politisch motiviert“. Schließlich, und das hätte die Föderation nun eingesehen, seien die Berliner „mit neun Moscheeprojekten gleichzeitig ein bisschen überfordert“. Das habe man unterschätzt, auch hätte der Kontakt zu den Anrainern noch intensiver sein müssen, um Ängste abzubauen.