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Archiv-Artikel

Gegen die „Rambo-Pläne“

Während Opelaner in ganz Europa protestieren, wächst in Bochum der Druck, die Arbeit wieder aufzunehmen

AUS BOCHUM KLAUS JANSEN

Ludger Hinse blickt sich um. Die Wittener Straße in Bochum ist schwarz von Menschen, rot stechen die Gewerkschaftsfahnen hervor. „Sehen sie: Das ist die IG Metall“, sagt der Chef der Bochumer Metallgewerkschaft stolz. 20.000 Menschen sind auf der Straße, um gegen die Kürzungspläne des Opel-Mutterkonzerns General Motors (GM) zu protestieren. Die Arbeiter haben ihre Familien mitgebracht, Kinder singen laut das Grönemeyer-Lied von der Stadt mit dem „Pulsschlag aus Stahl“.

An allen europäischen Standorten von GM hatte der Europäische Metallgewerkschaftsbund gestern zu Aktionen aufgerufen – in Portugal, Schweden, Großbritannien und Polen genauso wie an den deutschen Werken in Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach. „Da sind bestimmt eine halbe Million Menschen auf den Beinen“, vermutet Ludger Hinse. Genaue Zahlen gibt es nicht, Hinse dürfte sich dennoch verschätzt haben: Nach Angaben des Opel-Gesamtbetriebsrats demonstrierten in Deutschland etwa 50.000 und in ganz Europa etwa 100.000 Menschen.

Die Wut der Demonstranten in Bochum richtet sich vor allem gegen Fritz Henderson, den Chef von GM Europa. „Der ist ein Rambo-Manager“, ruft ihnen der Bochumer Betriebsratsvorsitzende Dietmar Hahn auf der Abschlusskundgebung vor dem Bochumer Schauspielhaus zu. „Die GM-Pläne sind ein Angriff auf die kulturellen Werte Europas“, sagt der IG-Metaller Hinse.

Doch so verhärtet sind die Fronten zwischen Belegschaft und Management offenbar nur noch auf den Demos. Bei einer ersten Verhandlungsrunde in Rüsselsheim einigten sich Opel-Vorstand und Betriebsrat gestern Morgen auf eine gemeinsame Erklärung, nach der beide Seiten das Ziel verfolgen, „die Standorte Rüsselsheim und Bochum so weit wettbewerbsfähig zu machen, dass sie über 2010 erhalten werden können“. Zudem wolle man nach Lösungen suchen, die „Restrukturierung sozialverträglich zu gestalten“.

Für Dietmar Hahn ist diese Formulierung ein Erfolg der seit sechs Tagen andauernden „Informationsveranstaltungen“ im Bochumer Opelwerk: „Die Blockadehaltung des Vorstands ist gebrochen. Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

Mit den Verhandlungsergebnissen steigt jedoch auch von Gewerkschaftsseite der Druck auf die Bochumer Belegschaft, Kompromissbereitschaft zu zeigen. „Wenn sich etwas bewegt, kann man darüber reden, wieder an die Arbeit zu gehen“, sagte der Europabetriebsrat Klaus Hemmerling. Auch IG-Metall-Chef Jürgen Peters riet zu einer Rückkehr an die Maschinen.

Ob die Bochumer Belegschaft ihre Arbeit wieder aufnehmen wird, wollten die Betriebsräte gestern Abend entscheiden. Am Nachmittag äußerten sie sich dazu nicht. „Jetzt genießen sie erst einmal die schöne Demo“, sagt Betriebsratschef Hahn – wohl auch, weil er selbst kaum vorhersehen kann, ob die Arbeiter dem Betriebsrat folgen werden. Schließlich hatten sie den Ausstand auch auf eigene Faust begonnen. Und noch immer steht die Forderung nach einem Verzicht auf Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen im Raum. „Was GM anbietet, ist viel zu wenig“, sagt etwa Ver.di-Vertrauensmann und Ersatzbetriebsrat Norbert Spittka. Und sogar der Essener Weihbischof Franz Grave wurde vor dem Bochumer Schauspielhaus gnadenlos ausgepfiffen, weil er ein Ende des Streiks forderte.