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Archiv-Artikel

Hören Sie mal: In Bremens Hallen Donnernder Gebläseaufstand: Mardi Gras.bb auf Tour

Sie machen nicht viel Aufhebens davon, aber hört man genau hin, wird deutlich, dass Mannheims Mardi Gras.BB nicht einfach nur eine mitreißende Party-Band sind. Ihr neues Album heißt assoziativ klangmalend „29 Moonglow“ (Hazelwood/Cargo), doch der Untertitel spricht deutlicher: „Reason In Revolt Now Thunders“ entstammt der englischen Übersetzung der ehrwürdigen „Internationale“, und der Song „Dark Days“ erzählt in düsteren Bildern vom Krieg in Irak. Sind Mardi Gras.BB auf dem Weg zur Agitprop-Kapelle?

„Das ist eine komische Entwicklung. Wenn du mich das vor fünf Jahren gefragt hättest, wäre ich fassungslos gewesen“, sagt Doc Wenz, Sänger, Gitarrist und Bandkomponist. „Ich war früher ein sehr unpolitischer Mensch. Das hat sich in den letzten fünf Jahren verändert. Ich habe das Gefühl, dass sich die Situation der Welt noch einmal extrem verschlechtert hat und dass sich nicht mal mehr die Mühe gemacht wird, der Politik ein Deckmäntelchen umzuhängen. Heute schlägt einem die Realität derartig fies ins Gesicht, wann immer man den Fernseher einschaltet, dass mir regelrecht unwohl wird. Und auch wenn es naiv sein mag, mach’ ich dem einfach Luft. Deswegen sehe ich mich nicht als politischer Künstler, aber da ist durchaus etwas in Gang gekommen.“

Das Konzept von „29 Moonglow“ hat damit eher zufällig zu tun. Nach Brass-Band-Exkursionen in Vierziger-Jahre-Jazz, psychedelischen Funk der Siebziger, Country-Songs und Annäherung an die musikalische Gegenwart, beschlossen Mardi Gras.BB, sich mit den 1920er Jahren den Wurzeln all dessen zuzuwenden, was sie in den letzten Jahren ausprobiert hatten.

Doc Wenz erklärt: „Zum einen wollten wir einen Kreis schließen. Zum anderen haben wir Anfang des Jahres Musik für den Film ‚Was nützt die Liebe in Gedanken?‘ gemacht, der in den Zwanzigern spielt, und da habe ich mich sehr viel mit dieser Zeit beschäftigt. Die Zwanziger sind eine der interessantesten Epochen des letzten Jahrhunderts, weil es da ein starkes Spannungsfeld gab zwischen Hedonismus und Dekadenz einerseits, einer politischen Instabilität mit vielen gedanklichen Ansätzen zu verschiedenen Weltentwürfen andererseits. Das spiegelt sich auch in der Kultur wider, die damals geschaffen wurde. Ich denke da an die Expressionisten, an Benn, an Döblin, aber auch an die Dadaisten – all das kulminiert in den zwanziger Jahren.“

Allerdings bleiben Mardi Gras.BB bei alledem immer unverkennbar sie selbst – auch wenn die Bläser diesmal etwas weiter in den Hintergrund treten, um den fiebrigen Gesang von Doc Wenz, der übrigens ein echter Arzt ist, in all seinen Facetten vor dem nunmehr verstärkt gitarrenhaltigen Ensembleklang erstrahlen zu lassen. Eine Party werden sie also immer noch entfachen, auch wenn es eine mit dunklen Untertönen sein dürfte.

Andreas Schnell

Heute, 20 Uhr im Tower (Herdentorsteinweg 7a)