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Archiv-Artikel

„Eigentlich muss der jetzt weg“

Hohmanns rechtskonservative CDU-Freunde sind sauer. Sie stört nicht, was er gesagt hat, sondern was er General Günzel eingebrockt hat

aus Berlin LUKAS WALLRAFF

Angela Merkel suchte sich ein Hintertürchen. Die Kamerateams am Vorderausgang warteten vergeblich auf die CDU-Vorsitzende. Für ein Statement vor der Presse, das sie sonst nach jeder Sitzung abgibt, sah Merkel am Dienstagabend keinen Anlass, als sie den Fraktionssaal der Union im Bundestag verließ.

Es war ja nichts Weltbewegendes passiert. Der Verteidigungsminister hatte nur gerade einen Bundeswehrgeneral unehrenhaft entlassen, weil der einen Abgeordneten der CDU für seine Rede über Juden als „Tätervolk“ belobigt hatte. Kein Grund für einen Kommentar von Merkel. Erst gestern Abend, einen Tag danach, fand die CDU-Chefin Worte, um den Vorgang zu bewerten. Der Rauswurf des Generals sei „richtig“, sagte sie im ZDF.

Merkels lange Sprachlosigkeit hat einen Grund: Es ist ihre eigene Tatenlosigkeit. Merkel fällt es verständlicherweise schwer, zu begründen, warum der General gehen muss – der eigentliche Auslöser der Affäre aber bleiben darf. Dass der offenkundig uneinsichtige „CDU-Hetzer“ (Bild) Martin Hohmann immer noch Abgeordneter der Unionsfraktion ist, empört nicht nur SPD und Grüne, sondern inzwischen auch Parteikollegen wie NRW-Landeschef Jürgen Rüttgers. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Ursula Heinen legte Hohmann gestern den Rücktritt nahe. „Sollte er das nicht tun, müssen wir den Vorgang nochmals diskutieren.“

So wie sie denken viele. Ein Großteil der Fraktion ist stocksauer auf Hohmann, der seiner Partei unangenehme Schlagzeilen bescherte. Zu Widerreden aufgerafft hat sich trotzdem keiner, als Merkel in der Fraktion befand, die „Rüge“ der Partei und die Versetzung Hohmanns in den Umweltausschuss reichten als Strafmaßnahmen aus. Offener Protest gegen Entscheidungen der Führung ist in der Union unüblich. Daran hat sich seit Adenauers Zeiten wenig geändert, auch nicht unter der Vorsitzenden Merkel, von der sich manche eine Demokratisierung der Christdemokratie versprachen. Eine Debatte fand in der Fraktion vorgestern nicht statt – wohl auch deshalb, weil potenzielle Widerredner wie Heiner Geißler, Norbert Blüm oder Rita Süssmuth nicht mehr da sind. Doch der Applaus für Merkels Bericht blieb spärlich. Gerade mal zehn Hände rührten sich zum Beifall.

Wie es um die Stimmung in der Fraktion bestellt ist, machten mehrere Abgeordnete deutlich, die sich hinterher im Foyer Luft verschafften. „Schlimm“, „peinlich“, „furchtbar“ sei der ganze Vorgang. Hohmann sei „wirklich nicht mehr tragbar“ und „ein Verräter“, befanden CDU-Politiker, die sich natürlich nicht namentlich zitieren lassen. „Völlig daneben“ nannte auch ein CSU-Mann das Verhalten Hohmanns. „Eigentlich muss der jetzt weg“, grummelte ein anderer.

Setzt sich diese Meinung durch, könnte Hohmann doch noch stürzen. Eine Zweidrittelmehrheit, die für einen Fraktionsausschluss nötig wäre, scheint nicht mehr ausgeschlossen. Falls Merkel demnächst zum Handeln gedrängt wird, liegt dies aber weniger an dem Inhalt von Hohmanns Rede, in der er unter anderem sagte, man könne Juden „mit einiger Berechtigung als Tätervolk bezeichnen“. Sich davon klar abzugrenzen lehnte auch die CDU-Fraktion im Hessischen Landtag ab. Was für Hohmann wirklich gefährlich wird, ist der Zorn, den er sich inzwischen auch bei rechtskonservativen Parteifreunden zugezogen hat. Diese stört nicht, was Hohmann sagte, sondern was er einem hohen Offizier einbrockte.

„Hohmann hat einen General auf dem Gewissen“, urteilte der CSU-Verteidigungsexperte Hans Raidel. Der Abgeordnete habe sich dem Chef der Elitetruppe KSK, Reinhard Günzel, gegenüber einen eklatanten Vertrauensbruch geleistet, da dessen Lobesbrief nicht zur Veröffentlichung bestimmt gewesen sei. Deshalb und nur deshalb müsse Hohmann seine Mitgliedschaft in der Fraktion „überdenken“.

Auch andere Abgeordnete problematisierten nach der Fraktionssitzung weder Hohmanns noch Günzels inhaltliche Äußerungen, sondern ihre „Ungeschicklichkeiten“. So sei es „völlig unverständlich“, bemerkte ein Unionist, warum Günzel überhaupt einen Brief geschrieben habe. Seine Solidarität mit Hohmann hätte er doch auch am Telefon bekunden können, dann wäre ihm nichts nachzuweisen. „Man weiß doch“, wunderte sich der CSU-Mann, „Schrift ist Gift.“