: In Minsk regiert der Schlagstock
Weißrusslands Polizei geht bei Demonstration gewaltsam gegen Kritiker von Staatschef Lukaschenko vor. Die werden, so die offizielle Propaganda, vom CIA gesponsert
BERLIN taz ■ Rund 50 Festnahmen mit Verurteilungen bis zu 15 Tagen Haft und mehrere zum Teil Schwerverletzte: Das ist die Bilanz einer Demonstration von Kritikern des weißrussischen Staatspräsidenten Alexander Lukaschenko am Dienstagabend in Minsk. Die Polizei war mit äußerster Brutalität gegen die meist jungen Protestierenden vorgegangen. Mit Transparenten, auf denen „Nein zur Tyrannei“ zu lesen war, hatten diese gegen die Ergebnisse des Verfassungsreferendums von vergangenen Sonntag zugunsten einer Verlängerung der Amtszeit Lukaschenkos demonstriert. Nach Angaben der Zentralen Wahlkommission hatten fast 80 Prozent der Wähler mit ja gestimmt.
Internationale Wahlbeobachter hingegen hatten die Volksabstimmung als „Farce“ bezeichnet, die weißrussische Opposition sprach von einer „massiven Fälschung, die an die Zeit Stalins erinnert“.
Am Dienstagabend hatten sich zunächst hunderte von Demonstranten vor dem Präsidentenpalast im Zentrum von Minsk versammelt und waren anschließend zum Parlamentsgebäude gezogen. Dabei skandierten sie Parolen wie: „Lukaschenko hat verloren!“ Die Polizisten hatten die Teilnehmer zuvor gewarnt, dass die Demonstration nicht genehmigt sei.
Die Demonstration vom Dienstag war schon die zweite Protestaktion in Minsk nach dem Referendum. Am Montag waren unterschiedlichen Angaben zufolge zwischen 500 und 2.000 Menschen auf die Straße gegangen. „Die Bevölkerung ist betrogen worden. Sie hat sich versammelt, um ihre Meinung über die Situation und die gefälschten Wahlergebnisse zum Ausdruck zu bringen“, so ein Demonstrant.
Für Anatoli Lebedko, den Chef der oppositionellen Vereinigten Bürgerpartei, endete die Kundgebung am Dienstagabend im Krankenhaus. Dorthin war er mit gebrochenen Rippen, Leberverletzungen und dem Verdacht auf einen Schädelbruch gebracht worden, nachdem er von Sicherheitskräften der Miliz zusammengeschlagen worden war.
Unterdessen schweigt das offizielle Minsk zu den jüngsten Ereignissen – allen voran der strahlende Sieger des Referendums, Alexander Lukaschenko. Im weißrussischen staatlichen Fernsehen war die Rede von einer westlichen Provokation. Die weißrussische Opposition werde vom CIA gesponsert, da die USA ein Interesse hätten, sich Lukaschenkos zu entledigen, hieß es.
Doch trotz Schlagstöcken und Verhaftungen will Weißrusslands Opposition nicht nachgeben. „Wir werden versuchen, die Bevölkerung über die Fälschungen zu informieren, und auf jeden Fall weiter demonstrieren“, sagte ein Oppositioneller, der einer Festnahme am Dienstag gerade noch einmal entgehen konnte, gegenüber der taz.
Doch ob die Opposition auf die Bevölkerung zählen kann, ist eher unwahrscheinlich. Denn die interessiert sich schon längst nicht mehr für die Innenpolitik. „Ich gehe nicht auf die Straße“, sagt einer. „Sie alle, die Regierung genauso wie die Opposition, haben doch alle die gleichen Interessen, aber sie versuchen das Ziel mit verschiedenen Mitteln zu erreichen. Von dem, was heute passiert, profitieren beide Seiten.“ MARINA SINALEEWA