Mit Verboten für die Integration

Trotz der gescheiterten Türkei-Kampagne ziehen Nordrhein-Westfalens Christdemokraten weiter gegen Kopftuch und polygame Muslime zu Felde. Nun stehen auch „Import-Bräute“ auf der Agenda

AUS DÜSSELDORFANDREAS WYPUTTA

Nordrhein-Westfalens CDU hat ein neues Wahlkampfthema entdeckt. Standen die Christdemokraten bisher wenig im Verdacht, um Stimmen der Einwanderer zu buhlen, beschäftigen sich allein in dieser Woche drei Vorstöße der CDU-Landtagsfraktion mit der Lebenswirklichkeit von Migranten – trotz der gescheiterten Kampagne der Bundesparteichefin Angela Merkel für eine Unterschriftenaktion gegen eine EU-Vollmitgliedschaft der muslimisch geprägten Türkei.

Während sich die CDU-Landtagsabgeordnete Ilka Keller am Mittwoch besonders um polygame Muslime sorgte, deren „Zweit- und Drittfrauen“ durch die „Umverteilungsmechanismen der ohnehin strapazierten gesetzlichen Sozialversicherung belohnt werden“ dürfte, mühte sich die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Regina van Dinther gestern redlich beim Thema „Zwangsheirat“. Die müsse als eigene Straftat in das Bundesrecht eingeführt werden, findet die frauenpolitische Sprecherin – die Landesregierung müsse einen entsprechenden Entwurf Baden-Württembergs unterstützen und über den Bundesrat Druck machen. Im Gegensatz zu früheren Einwanderergenerationen isolierten sich muslimische Migranten auch in der zweiten und dritten Generation zusehends, sorgt sich van Dinther: „Zum Teil werden doch sogar regelrechte Import-Bräute nach Deutschland geholt.“

Dennoch kann die Christdemokratin auf die grundsätzliche Unterstützung des SPD-geführten NRW-Ministeriums für Frauen und Familie zählen. Allerdings gehe der baden-württembergische Entwurf längst nicht weit genug: Unklar seien etwaige Unterhaltsansprüche, wenn beide Ehepartner einander bereits als Kinder versprochen und damit von den Eltern zwangsverheiratet würden. Unklar seien auch Bestimmungen des Erbrechts, etwa bei Tod der zwangsverheirateten Frau. „Fällt dann das Erbe zwar nicht an den Ehemann, dafür aber an die Eltern, die ihre Tochter zwangsverheiratet haben?“ – Angelika Maria Wahrheit, Sprecherin von Landesfamilienministerin Birgit Fischer (SPD), mahnt Nachbesserungen des Entwurfs an. Nötig sei Bewegung der CDU auch im Ausländerrecht: „Wenn eine zwangsverheiratete Frau nur über ihren Mann ein so genanntes abgeleitetes Aufenthaltsrecht besitzt – schieben wir dann ab?“, fragt nicht nur Wahrheit. „Die CDU kann sich beim Zuwanderungsrecht nicht drücken“, fordert auch die frauenpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion, Marianne Hürten. „Ganz übel“ sei dagegen Ilka Kellers Vorstoß zu muslimischen Zweit- und Drittfrauen, die angeblich die Sozialsysteme belasten, findet die Feministin. „Mir ist kein einziger Fall bekannt.“

Ähnlich sieht das auch Bülent Arslan, Vorsitzender des deutsch-türkischen Forums in der CDU Nordrhein-Westfalen: Die Parteifreunde möchten doch „bitte die politische Wirkung bedenken“. Arslan unterstützt eine gesetzliche Verurteilung von Zwangsheirat und Polygamie, hält beides aber nicht für vordringlich. „Das sind doch Einzelfälle. Gerade die Polygamie ist doch auch in der Türkei gesellschaftlich geächtet.“ Auch Faruk Sen, Leiter des Essener Zentrums für Türkeistudien, warnt, die CDU transportiere „ein falsches Bild der Türkei“.

Das gelte auch für den Gesetzesentwurf, mit dem die CDU Muslima im öffentlichen Dienst das Tragen des Kopftuchs strikt verbieten will – noch am Mittwoch hatte CDU-Migrationsexperte Thomas Kufen auf einen Vorstoß der grünen Fraktionschefin Sylvia Löhrmann hin noch offensiv verlauten lassen, es sei „falsch, das jüdisch-christlich-humanistische Erbe der Beliebigkeit anheim zu geben“. Für Arslan ist das der falsche Weg: „Gerade eine christliche Partei wie die CDU sollte nicht versuchen, die Religion aus dem öffentlichen Leben zu verbannen“, sagt er. „Rigorose Verbote helfen uns nicht weiter.“