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Archiv-Artikel

„Die Amerikaner sollen weg aus den Städten“

Mahmud Osman, Mitglied im irakischen Regierungsrat, fordert eine größere Beteiligung der Irakis und ihrer Sicherheitskräfte an der Macht

taz: Wie klappt denn die graduelle Machtübergabe der Amerikaner an die Iraker?

Mahmud Osman: Bisher ist herzlich wenig geschehen. Vor allem im Bereich der Sicherheit ist die Übergabe von Kompetenzen an den irakischen Innenminister und die irakische Polizei äußerst dringlich. Wir erwarten, dass der US-Verwalter Paul Bremer einen neuen Sicherheitsplan vorstellt, denn es scheint so, als überdenken die Amerikaner derzeit ernsthaft ihre bisherige Politik.

Welche praktischen Schritte zur Machtübergabe müssten jetzt unternommen werden?

Wir haben den Amerikanern immer wieder gesagt, dass sie sich aus den Städten zurückziehen sollen. Wir kennen unsere Leute, und die würden mit einer irakischen Polizei und der neu geschaffenen irakischen Zivilverteidigung wesentlich besser zusammenarbeiten. Dazu muss die Polizei aber auch unabhängiger von der US-Armee agieren können.

Es war auch ein Fehler, die Armee vollkommen aufzulösen. Wir sollten einige reguläre Einheiten zurückrufen, die nicht mit dem alten Regime verbunden waren, also nicht die Republikanergarden. Das zweite große Problem ist die Arbeitslosigkeit. Die Frage der Sicherheit und die Arbeitslosigkeit sind unmittelbar miteinander verbunden.

Viele sehen den Regierungsrat als einen Teil der US-Verwaltung, der die Besatzung legitimiert.

Es ist keine Frage, dass der irakische Regierungsrat unter US-Aufsicht geschaffen wurde. Wir haben kalkuliert, dass wir durch unsere Mitarbeit die Situation positiv beeinflussen können. Wir sind keine Marionetten in den Händen der US-Verwalter, aber wir sind natürlich auch nicht vollkommen unabhängig.

Haben Sie das Gefühl, die Amerikaner hören Ihnen zu?

Sie haben ihre Interessen, wir haben unsere. Manchmal treffen wir uns, manchmal nicht. Sie wollten 10.000 türkische Soldaten ins Land bringen, weil sie dachten, das würde sie entlasten. Wir haben das nicht akzeptiert. Heute ist die Idee mit den türkischen Truppen nicht ganz vom Tisch, aber sie reden nicht mehr darüber.

Ist nicht die Zusammensetzung des Regierungsrats auf ethnischer und religiöser Basis ein schlechtes Omen für Iraks Zukunft?

Das war die einzige Möglichkeit, der Zusammensetzung der irakischen Gesellschaft gerecht zu werden. Die Formel gilt nur bis zu den Wahlen.

Kann der Regierungsrat eine politische Alternative zum militanten Widerstand gegen die Besatzung werden?

Am 15. Dezember wird eine Art Roadmap für die weitere Übergabe der Macht vorgelegt werden. Damit könnte ein politischer Prozess beginnen, der den Menschen eine Alternative bietet, vorausgesetzt, wir schaffen es, ihn durchzusetzen. Irakische Gewalt gegen die Besatzung schafft nur Gewalt auf amerikanischer Seite und führt dazu, dass die Amerikaner länger bleiben. Anschläge schaden am Ende nur den Irakern, vor allem wenn die Hilfsorganisationen das Land verlassen. Wir müssen unsere Ziele durch friedliche Politik erreichen.

Haben Sie selbst Angst vor Anschlägen? Ein Mitglied des Rats wurde bereits ermordet.

Das hier ist ein politischer Kampf, und es gibt viele vom alten Regime, die da draußen frei herumlaufen. Natürlich könnte ich jederzeit Opfer eines Anschlags werden, aber das hier sind äußerst schwierige Umstände, die es zu lösen gilt. Da kann man nicht umhin, ein paar Risiken einzugehen.

INTERVIEW: KARIM EL-GAWHARY