: Zu sanft zu Russland, zu hart in Europa
Das „Forum Menschenrechte“ kritisiert, dass die rot-grüne Menschenrechtspolitik ihren Ansprüchen nicht gerecht wird
BERLIN taz ■ Wenn sich das „Forum Menschenrechte“ mit einer Bilanz der Regierungspolitik zu Wort meldet, wird es meistens unangenehm für Rot-Grün. So auch gestern. Die deutsche Menschenrechtspolitik sei „widersprüchlich und entwicklungsfähig“, erklärte das Netzwerk von 45 Nichtregierungsorganisationen. Bei Menschenrechtsverletzungen in Staaten wie Russland und China verhalte sich die Regierung zu zurückhaltend, in der europäischen Flüchtlingspolitik habe sie sogar die Rolle eines „Scharfmachers“ übernommen.
Diese Kritik lässt sich nicht einfach als Miesmacherei von übelgesinnten Oppositionellen abtun. Im Gegenteil: Zu den Mitgliedern des „Forums Menschenrechte“ gehören neben amnesty international, terres des hommes, terre des femmes und anderen Menschenrechts-NGOs auch die SPD-eigene Friedrich-Ebert-Stiftung, die grüne Heinrich-Böll-Stiftung und der DGB. Umso peinlicher, dass die Sprecher dieses Forums gestern erneut deutlich machten, wie weit Anspruch und Wirklichkeit der rot-grünen Menschenrechtspolitik auseinander klaffen. Als Beispiel nannte amnesty-Generalsekretärin Barbara Lochbihler das Verhalten gegenüber China und Russland, wo gravierende Rechtsverletzungen an der Tagesordnung seien. Der Umgang mit den dortigen Regierungen sei ein Prüfstein, wie ernst die Bundesregierung ihre eigene Menschenrechtsrhetorik auch gegenüber strategisch wichtigen Ländern nehme. „Wir vermissen klare Worte gegen die zunehmend autoritären Tendenzen in Russland“, so Lochbihler.
Vor allem aber vermissen die Menschenrechtler Taten. Die Liste der rot-grünen Versäumnisse, die das Forum Menschenrechte präsentierte, ist 21 Seiten lang und erinnert an zahlreiche, nicht eingehaltene Versprechungen: So habe die Bundesregierung, trotz mehrfacher Absichtserklärungen, immer noch kein Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet und nach wie vor nicht einmal die UN-Kinderschutzkonvention in vollem Umfang ratifiziert, die Unter-18-Jährigen mehr Schutz vor Abschiebemaßnahmen gewähren würde.
Auch mit dem neuen Zuwanderungsgesetz ist das Forum unzufrieden. So sei die Forderung nach einer Bleiberechtsregelung für langjährig in Deutschland lebende Menschen, so genannte Geduldete, unerfüllt geblieben. Und auch nach sechs Jahren Rot-Grün habe sich nicht geändert, dass straffällig gewordene AusländerInnen ausgewiesen werden können, selbst wenn sie in Deutschland aufgewachsen sind.
LUKAS WALLRAFF