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Archiv-Artikel

„Ein Kopftuch integriert nicht“

Der neue Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, über seine Wahl, den Unterschied zwischen Kopftuch und Kreuz als religiöse Symbole und seine Mitbewerbin Margot Käßmann, die er 2009 wählen will

Interview PHILIPP GESSLER

taz: Herr Huber, im August vergangenen Jahres haben Sie im „taz“-Interview gesagt, Ihre Wahl zum EKD-Ratsvorsitzenden „kommt schon aus Altersgründen nicht in Frage“ – sind Sie in den vergangenen 15 Monaten jünger geworden?

Wolfgang Huber: Nein, nicht jünger. Ich habe auch bis zuletzt an dieser Vorstellung festgehalten, dass dies mit meinem jetzigen Alter und meiner beruflichen Situation nicht vereinbar sei. Aber die Synode hat mich eines Besseren belehrt.

Bei der letzten Wahlsynode 1997 kamen Ihnen wegen des Scheiterns und aus Anspannung die Tränen – war der EKD-Ratsvorsitz Ihr Lebensziel?

Nein, 1997 wurde ich von der Presse in eine Favoritenrolle hineingeschrieben. Das war eine sehr anspannende Situation. Ich bin ein Mensch, dem man Freude und Anspannung ansehen kann. Ich werde auch in Zukunft kein Pokerface haben, an dem man keinerlei Emotionen ablesen kann. Den Ratsvorsitz kann man nicht als Lebensziel haben. Schon das Bischofsamt war dies nicht. Da handelt es sich um Ämter, in die man berufen wird.

Von Ihnen wird erwartet, Ihrer Kirche ein klares protestantisches Profil zu geben. Aber hat sie es nicht strukturell schwerer als beispielsweise die katholische, ein klares Profil zu zeigen, weil sie so demokratisch verfasst und so zwangsläufig vielstimmiger ist?

Das ist ein Reichtum der evangelischen Kirche. Zu ihrem Gesicht gehört auch der Umgang mit Pluralität, die Gleichberechtigung ihrer Glieder, Theologen wie Nichttheologen. Alle bringen in die Meinungsbildung der Kirche das Ihre ein. Das dann zu bündeln und deutlich zu machen, dass diese notwendige Vielstimmigkeit keine beliebige Pluralität ist, ist meine Aufgabe.

Sie haben sich vor einem Monat klar für ein Verbot des Kopftuchs für Beamtinnen ausgesprochen, also Lehrerinnen, aber auch für Polizistinnen. Glauben Sie, dass Ihre Linie in Sachen Kopftuch in der EKD mehrheitsfähig ist?

Meine Linie dazu ist in wichtigen Grundelementen in einem einstimmigen Beschluss des Rates der EKD aufgenommen. Die Frage ist, ob ein generelles Kopftuchverbot machbar und möglich ist, ob dabei das Kopftuch von anderen Symbolen getrennt werden kann, die mit Religion in Beziehung stehen. Da gibt es innerhalb der EKD, innerhalb ihrer Synode und innerhalb des Rates unterschiedliche Auffassungen. Aber nach der gemeinsamen Überzeugung des bisherigen Rates begründet das Kopftuch Zweifel an der Eignung einer Bewerberin für den öffentlichen Dienst und den Lehrerberuf.

Wenn Ihre Position „Kopftuchverbot in der Schule“ Gesetz in den Ländern wird, würde es nicht auf die Kirche zurückfallen, dass dann auch ein Kreuzchen am Hals einer beamteten Lehrerin verboten würde?

Wir müssen die Diskussion so differenziert führen, dass solche pauschalen Konsequenzen dezidiert ausgeschlossen werden. Sie wären dem Anlass ausgesprochen unangemessen.

Aber wird nicht die Konsequenz sein, dass man mit einigem Recht sagen kann: Wenn ich mein Kopftuch nicht tragen kann, dann soll auch die Lehrerin ihr Kreuzchen um den Hals nicht mehr tragen dürfen ?

Nein, es ist nicht zwangsläufig, im Gegenteil. Das Kopftuch ist zwar ein religiöses Zeichen, symbolisiert aber auch eine Haltung im Verhältnis der Geschlechter, die mit unserer Verfassung nicht vereinbar ist. Wer sagt, mit dem kleinen Kreuz an meinem Revers dürfe ich nicht in die Schule, muss begründen, warum das ein antidemokratisches Zeichen sein soll. Nur dann ist es vergleichbar.

Kann ein Kopftuchverbot nicht auch desintegrierende Wirkung haben, dass sich Muslime ausgegrenzt fühlen? Das wäre doch kontraproduktiv.

Die Integration ist ein großes Ziel. Ob das Tragen des Kopftuchs durch eine Lehrerin integrierend wirkt, ist mir sehr zweifelhaft. Es gibt vielmehr deutliche Anzeichen, dass es desintegrierend wirkt – vor allem auf junge Musliminnen, die sich entschlossen haben, es nicht zu tragen, aber durch ihre Lehrerin mit der Norm des Kopftuchtragens konfrontiert werden.

Wäre es nicht Zeit gewesen für eine EKD-Ratsvorsitzende?

Wir haben eine Frau als Synodenpräsidentin, wir haben unter fünfzehn Ratsmitgliedern sieben Frauen. Ich wäre dankbar, wenn mir jemand irgendeine vergleichbare gesellschaftliche Organisation nennt, bei der das Verhältnis zwischen Frauen und Männern ähnlich gelagert ist.

Wird Bischöfin Käßmann 2009 Ihre Nachfolgerin?

Ich würde mich darüber sehr freuen, aber ich finde richtig, dass sie gesagt hat: Was 2009 ist, ist nicht heute zu entscheiden.

Sie würden sie wählen?

Selbstverständlich.

Hinweis: Am Mittwoch ist WOLFGANG HUBER, 61, Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, bei der Synode in Trier für sechs Jahre zum EKD-Vorsitzenden und damit zum höchsten Repräsentanten des deutschen Protestantismus gewählt worden. Der Theologie-Professor gilt als einer der politischsten Köpfe der EKD.