: Der Widerstand ist jung geworden
Auftakt der Anti-Castor-Kundgebungen im Wendland: Die Stimmung ist locker und gut, und die Grünen machen auch ein bisschen mit. 13.000 PolizistInnen proben in der Region wieder den Ausnahmezustand
aus DannenbergPeter Ahrens
Die Fragen der JournalistInnen nimmt Wolfgang Ehmke schon vorweg: „Warum machen wir das alles eigentlich Jahr für Jahr? Ist das inzwischen nicht alles Routine?“ Die Antwort liefert der Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg zum Auftakt der Anti-Castor-Demonstrationen im Wendland gleich mit: „Weil nichts von dem, was wir wünschen, eingelöst worden ist. Und weil Jahr für Jahr hier die Bürgerrechte eingeschränkt werden.“ Und weil das so ist, stehen auch an diesem Wochenende wieder mehr als 5.000 Menschen frierend auf einer Wiese bei dem Nest Splietau und zeigen ihren Widerstand gegen den rollenden Atommüll. Und 13.000 PolizistInnen sind auch da.
Viele AtomkraftgegnerInnen sind seit Jahren dabei. Jochen Stay von der Initiative „X-tausendmal quer“ hält wie gewohnt seine „Kleine Blockade-Fibel“ in die Luft, Landwirts-Urgestein Adi Lambke stützt sich auf seinen Stock, aber für ganz viele ist der Castor-Protest auch Neuland. Der Widerstand ist jung geworden. Was schon bei den Irak-Demos und bei der großen Kundgebung gegen den Sozialabbau vor Wochenfrist zu beobachten war, setzt sich hier fort.
Es sind SchülerInnen, die bei der Auftakt-Kundgebung die Szene bestimmen. Die Rockgruppe „Readymade“ spielt auf, die Greenpeace-Jugend führt eine Zirkusnummer auf, bei der sie die Atombetreiber veräppeln, am Ende werfen sie „Kamelle“ ins Publikum. Die Stimmung ist gelöst wie bei einem Volksfest – wie zufällig rollt der Castor ausgerechnet am 11. November ins Wendland ein. Karnevalsbeginn.
Die Grüne Jugend ist auch da, die niedersächsischen Grünen wollen eine öffentliche Fraktionssitzung im Wendland abhalten.Trotzdem haben die AtomkraftgegnerInnen nicht vergessen, wer ihnen den Atomkonsens auch eingebrockt hat. So übt Ehmke scharfe Kritik daran, dass ausgerechnet in der Castor-Woche – zwei Tage, nachdem der Atommüll vermutlich ins Zwischenlager eingefahren ist – das AKW Stade abgeschaltet und dies von den Bundesgrünen zum Feiertag erklärt wird. Dies sei „billigste Ausstiegsrhetorik von Bundesumweltminister Jürgen Trittin“, so Ehmke, „darauf fallen wir nicht herein“. Die Reststrommengen, die Stade durch das vorzeitige Aus nicht mehr produzieren wird, können bekanntlich auf andere Atomkraftwerke übertragen werden, die dadurch länger laufen, als ursprünglich vereinbart.
Die Polizei ist allüberall, so grün ist das Wendland nicht mal im Sommer, doch zu tun hat sie eigentlich bisher nichts. Die BeamtInnen stehen am Rand, als die Kundgebung durch Dannenberg zieht. Der Infopunkt der Polizei ist direkt neben dem Marionettentheater Dannenberg untergebracht, und genau diese Rolle haben die PolizistInnen aus Sicht der AtomkraftgegnerInnen auch zu spielen.
Die kleinen Spielchen, die die AtomkraftgegnerInnen nerven sollen, haben denn auch schon wieder begonnen. Es geht das Gerücht, die Polizei werde am Montag das Jugendcamp in Splietau nach möglichen SchulschwänzerInnen durchkämmen, um diese dann in ihren Schulklassen abzuliefern. Provozieren lässt sich aber niemand. Einsatzleiter Friedrich Niehörster bleibt im abendlichen Kommuniqué am Samstag denn auch lediglich der Hinweis darauf, dass der Protest „locker, gelöst und absolut störungsfrei“ verlaufen ist.
Was nicht ganz stimmt. Aber als ein paar verbissene Veganer den einzigen Bratwurststand auf der Kundgebungswiese blockieren, weil sie den Fleischverkauf als Teufelswerk empfinden, regeln die Castor-Gegner dies schon unter sich. „Wenn ihr schon eure Aggressionen rauslassen müsst, habe ich einen Tipp für euch: Da hinten könnt ihr mithelfen, Gemüse zu schnippeln. Das ist auch produktiv“, wird das Problem vom Podium aus gelöst.
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