: Gefönte Nymphen
Wenn Dinge sich äußern: Jutta Konjer und Manfred Kroboth würdigen in der Kunsthalle gerettete Objekte
Alte Radios, Instrumente, Koffer und Schreibmaschinen auf einem rohen Abstellregal sind in der Hamburger Kunsthalle nicht alltäglich. Zumal wenn die Dinge leise von einstigen Reisen und fernen Klängen zu erzählen scheinen. Denn Manfred Kroboth hat den aus dem Sperrmüll geretteten Objekten ein Klangbild unterlegt. So sorgsam wie er den einst entsorgten Dingen hier eine individuelle Würde zurückgibt, so liebevoll geht er zusammen mit Jutta Konjer auch mit vergessenen Artefakten im öffentlichen Raum um: Die Hamburger Künstler binden diese mittels Foto-Inszenierungen in den Zusammenhang neuer Geschichten.
Gleich ob die beiden hilfreich nackte, dem Bade entstiegene Nymphen fönen, sich vorsichtig zusammen mit Hündin Nike an Bronzehirsche anpirschen oder als Artisten verkleidet Löwen dressieren, die im Lager der Kunsthalle weggesperrt sind, ihre mit Selbstauslöser erstellten Schwarz-Weiß-Fotos verlebendigen den überlebten Geltungsanspruch der Denkmäler. Dabei ist ihr teils naiv das Pathos brechende, teils hintersinnig neue Kontexte erfindende Spiel mit den Dingen von doppelter Ironie. Erst werden die Objekte in fast unangemessener Weise in private Anekdoten verwickelt, dann finden sich die Fotos davon mit allem historischem Anspruch auf größtmögliche Geltung in schweren goldenen Museumsrahmen wieder.
Schon vor dem Eingang zu den beiden Ausstellungsräumen der Reihe „Standpunkt“ steht, wie aus dem Museum für Hamburgische Geschichte hergebracht, ein Schaukasten über die Hammaburg und über „Hamburg als Brauhaus der Hanse“. Die Zuschreibungen der Steingut- und Glasscherben bleiben bei flüchtigem Blick im Rahmen des in Heimatmuseen Üblichen, selbst wenn „...aus der Ladung des letzten Piratenschiffs“ etwas spekulativ erscheint. Spätestens aber wenn ein rostiges Metallstück als „Bierfassanzapfnagel“ beschriftet ist, wird klar, dass Jutta Konjer hier zufälligen, beim Gassigehen mit Hund Nike am Elbstrand gefundenen Nutzlosigkeiten eine neue, ganz subjektive Heimatgeschichte hinzuerzählt.
„Die Orakel haben nicht sowohl aufgehört zu reden, als vielmehr die Menschen, ihnen zuzuhören“, bemerkte einst Georg Christoph Lichtenberg. Und das gilt heute, sofern sie nicht ihren Markennamen schreien, auch für die Sprache der Dinge. Jutta Konjer und Manfred Kroboth trösten die von ihrer Zuhörerschaft verlassenen Dinge und lauschen ihnen wieder Geschichten ab, die sie dann in ihrer skurrilen Art weitererzählen. Sie helfen den uninteressant gewordenen Dingen und Orten sich zu äußern und sich erneut in der Phantasie der Besucher festzusetzen. Hajo Schiff
kroko – Jutta Konjer, Manfred Kroboth, Reihe „Standpunkt“, Kunsthalle, bis 4. Januar 2004