: Anwalt: Deutscher zu Unrecht in US-Haft
Ein Bremer sitzt auf Guantánamo ein. Er gilt als „feindlicher Kämpfer“. Sein Verteidiger findet den Vorwurf haltlos
BREMEN taz ■ „Enemy combattant“, feindlicher Kämpfer – so klassifiziert das amerikanische Militärtribunal den aus Bremen stammenden Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz. Das geht aus den Vernehmungsakten hervor, die Kurnaz’ Anwälte am vergangenen Montag in New York erstmals einsehen konnten. Allerdings halten die Anwälte die Belege für schwach. Die Vorwürfe seien „aus der Luft gegriffen“, sagte sein Bremer Verteidiger Bernhard Docke gestern.
Kurnaz wurde im November 2001 in Pakistan verhaftet. Seit Anfang 2002 sitzt er im Militärgefängnis Guantánamo Bay ein. Bislang war unklar, wie es ihm geht und was genau die amerikanische Regierung ihm zur Last legt. In der vergangenen Woche durfte sein amerikanischer Anwalt Baher Azmy ihn erstmals im Gefängnis besuchen. Seither hat Azmy etwa zwanzig Stunden lang mit dem Häftling gesprochen. Was genau er dabei erfuhr, darf der Anwalt noch nicht berichten: Die Aussagen müssen erst vom amerikanischen Verteidigungs- und Justizministerium freigegeben werden. Sie könnten lediglich mitteilen, dass Kurnaz in guter Verfassung sei, so der Bremer Anwalt Docke. Kurnaz habe sogar einen gewissen „Galgenhumor“ an den Tag gelegt.
Die amerikanische Regierung wirft Kurnaz vor, er sei im Oktober 2001 nach Pakistan gereist und habe dort Kontakte zu al-Qaida gepflegt. Kurnaz sagte hingegen aus, er sei lediglich zur religiösen Schulung von Moschee zu Moschee gereist. Er befürworte einen friedlichen Islam und die Verfolgung Bin Ladens. Kurnaz wurde bei einer Routinekontrolle von pakistanischen Polizisten in einem Bus verhaftet. Verwicklung in Kämpfe könne ihm nicht vorgeworfen werden, so der Anwalt.
Hingegen werfen die Amerikaner Kurnaz vor, er habe in Begleitung nach Afghanistan reisen wollen. Der Begleiter – es handelt sich um den in Bremen lebenden S. B. – sei Terrorist und habe später ein Selbstmordattentat verübt. Fakt ist: S. B. lebt bis heute unversehrt in der Hansestadt. Ein Terrorismusverfahren gegen ihn hat die Staatsanwaltschaft inzwischen eingestellt.
Es sei die schwächste Akte, die er bislang von einem Guantánamo-Häftling gesehen habe, so die Bilanz des amerikanischen Anwalts. Docke ist daher optimistisch, dass diese Beweise den Federal District Court in Washington nicht überzeugen. An diesem Gericht haben Kurnaz’ Anwälte eine „Habeas Corpus“-Klage eingereicht, eine Art Antrag auf Haftüberprüfung.
DOROTHEA SIEGLE