: Rasenplätze kriegen engagierte Pflege
Junge Leute, die sich für ein freiwilliges soziales Jahr entscheiden, können dies jetzt auch in Sportvereinen ableisten – statt wie bisher in Altenheimen oder Kliniken. Nicht unwichtig: Trainieren während der Arbeitszeit ist streng verboten
Endlich kann Matthias Engel seinem Filius auch bei der Arbeit genau auf die Finger sehen. „Der Junge hat lange nach einer solchen Stelle gesucht“, erzählt der 44-Jährige mit Stolz. Sein Sohn fühlt sich pudelwohl dabei. „Meine Freunde haben sich schon bei mir erkundigt, wie ich das gemacht habe“, sagt der 18-jährige Marcus.
Die Engels zählen zur sportlichen Avantgarde Berlins, die das reformierte Modell des „freiwilligen sozialen Jahres“ (FSJ) in Anspruch nimmt. Engel Senior ist Geschäftsführer beim Fußball-Oberligisten SV Yesilyurt, für den Sohnemann Marcus in seiner Freizeit stürmt. Da Junior-Engel den Wehrdienst verweigerte, aber seinen Zivildienst nicht in einem Krankenhaus ableisten wollte, weil das Training zu kurz gekommen wäre, verdingte sich der Abiturient in seinem Verein. „Seit ich fünf bin, spiele ich Fußball. Jetzt lässt sich das besser vereinbaren, als wenn ich Ersatzdienst machen würde“, erzählt er. Möglich macht den Seitenwechsel die Politik.
„Die Bundesregierung hat das freiwillige soziale Jahr geöffnet für den Sport“, erläutert Heiner Brandi von der Sportjugend Berlin, einem der anerkannten Träger des FSJ, das ursprünglich nur in karitativen Einrichtungen durchgeführt werden konnte. Die Anforderungen an die Aspiranten sind relativ gering: Erfahrung im Sportverein, sportliches Engagement sowie die Fähigkeit zum selbstständigen Arbeiten werden neben einem Mindestalter von 16 Jahren vorausgesetzt.
„Der Erfolg des Programms ist überwältigend“, jubelt Brandi. Inzwischen ist die Zahl der für 2004/05 bewilligten Planstellen auf 84 gestiegen. Zu den Nutznießern zählen neben Fuß ball-, Volleyball- oder Mehrspartenvereinen auch soziale Einrichtungen mit überwiegend sportlicher Ausrichtung.
„Mit einer solchen Zahl hätten wir nicht gerechnet“, gesteht der Sportjugend-Funktionär. Der Bedarf an engagierten und kostengünstigen Helfern im Hauptstadtsport ist offensichtlich weit größer als vermutet. „Jeder Verein freut sich über organisatorische Hilfe und kann von diesem Programm eigentlich nur profitieren“, berichtet Yesilyurt-Geschäftsführer Engel aus eigener Erfahrung. Sein Marcus geht ihm bei der täglichen Arbeit auf der Geschäftsstelle zur Hand und baut die EDV-Verwaltung aus. Nebenbei erwirbt der Junge im Poststadion seine Lizenz zum Übungsleiter sowie die Jugendleiter-Card, die bundesweit drei Jahre Gültigkeit besitzt. Investitionen in Humankapital, die kaum ein Verein aus der Clubkasse finanzieren könnte.
Gerade in der pädagogischen Betreuung des Nachwuchses besteht vielerorts Nachholbedarf. „Die Freiwilligen sind eine ganz wertvolle Unterstützung für die ehrenamtlichen Helfer in den Vereinen“, lobt Brandi die FSJ-Erweiterung. „Der Nachteil ist die vergleichsweise geringe Bezahlung in dem Programm“, sagt Engel Senior. 300 Euro pro Monat erhält sein Filius für die 38,5-Stunden pro Woche bei Yesilyurt. „Wenn mein Sohn woanders Ersatzdienst leisten würde, bekäme er mehr“, sagt Engel. Auch dauerte die Dienstzeit beim FSJ drei Monate länger als die eines „normalem Zivis“ etwa in einer Klinik. „Aber das Kindergeld läuft weiter, und alle Sozialversicherungsabgaben werden vom Träger übernommen“, fügt Matthias Engel zufrieden hinzu. Und wenn es optimal läuft, erleichtert das FSJ seinem Sohn auch noch den Berufseinstieg, denn Yesilyurt-Stürmer Marcus liebäugelt mit einem Studium der Sportwissenschaft.
Inzwischen läuft die Bewerbungsfrist für den FSJ-Durchgang ab 1. September 2005. Bis zum 31. Mai 2005 können Vereine ihr Interesse anmelden. Möglichen Mitnahmeeffekten findiger Profi-Cracks, die ihr Salär durch ein Pseudo-Sozialengagement aufbessern könnten, glaubt die Sportjugend einen Riegel vorgeschoben zu haben. Denn das FSJ-Regelwerk schreibt vor, dass das Training nicht während der Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden absolviert werden darf. JÜRGEN SCHULZ