: berliner szenen Es ist schon spät
Wir müssen gehen
Typ, groß und blond, er tanzt zwei Frauen an. Die beiden Frauen gehen nicht auf ihn ein, lächeln allerdings entschuldigend. Das hätten sie besser nicht getan, denn der Mann findet sie jetzt interessant. So tanzt er, gegen ihren Willen, mit ihnen. Es ist eine Scheißszene in einem etwas elenden Club in Mitte, eine offensichtlich illegale Institution, wie üblich hinter einem Bauzaun versteckt. Touristen amüsieren sich gut hier, es ist so romantisch.
Wir amüsieren uns nicht, wir hatten so was jetzt seit Jahren, doch das Bier, die Zigaretten, unsere Beziehung zueinander und die Langweile, all das hält uns hier fest, darum sitzen wir auf dem ranzigen Sofa. Es ist schon spät, und unser Beobachtungsobjekt, der große Blonde, ist offensichtlich in Eile. Denn er hat sie jetzt angesprochen, nachdem er die beiden drei Stücke lang umtanzt hat mit einem steifen Lächeln im Gesicht, das er wahrscheinlich für fesselnd hält. Die beiden Frauen tanzen weiter miteinander, sie spielen, probieren diesen Tanzschritt oder jenen, er aber, ein bisschen beleidigt, dass sie, die ihn doch eben verlegen angelächelt haben, nicht mit ihm sprechen, macht nun auch diese neuen Tanzschritte nach und rutscht aus. Eine der beiden fängt ihn. Er nimmt seine Bierflasche, tanzt mit der Flasche weiter, rotgesichtig, zu den Frauen hin.
Die eine steht jetzt, geht dann auf die Toilette, die andere steht ebenfalls, obschon der Blonde sie antanzt. Dann sagt er etwas. Die Angesprochene lächelt gequält. Die, die von der Toilette kommt, sieht ihre Freundin mit dem Typen sprechen, greift ihre Jacke, sagt noch erregt was zur Freundin und geht dann. Der Typ schaut ihr blöd hinterdrein, teufelt dann wieder auf die Verbliebene ein, die sich ihm nicht entziehen kann. Wir gehen ebenfalls. JÖRG SUNDERMEIER