Bananenparlament

Wir geben uns Mühe: In „Alles muss man selber machen“ in den Sophiensælen ist viel über Globalisierung zu lernen

Theater ist auch nicht mehr, was es einmal war. „Alles muss man selber machen“ hat Matthias von Hartz einen Aufklärungsabend über die Privatisierung von Wasserrechten, den Handel mit patentiertem Weizen und weitere Szenarien der Globalisierung genannt. Das Selbermachen beginnt schon beim Programmzettel. Der ist eindeutig für Notizen gedacht und vom Besucher der Sophiensaele selbst auszufüllen. Nicht umsonst hat jeder Zuschauer ein Schreibpult aus gestapelten Bananenkisten vor sich. Das erinnert an die Zeiten als Student im Hörsaal und ermöglicht den Darstellern, uns, die Theaterbesucher, als Parlament anzusprechen. Ständig muss man abstimmen. Wir geben uns Mühe.

„Alles muss man selber machen“ ist ungeniert didaktisch, Theater als Diskursvermittlungsstelle. Viel Inhalt, wenig Form, denkt man anfangs, sozusagen wie eine gemeinsame Zeitungslektüre. Der Schwerpunkt liegt auf dem Wirtschaftsteil, und kleine modellhafte Szenen führen in die Materie ein. „Wir glauben, dass gesellschaftliche Veränderung mit Singen im Chor beginnt“, steht über der Bühne, und die drei Moderatoren Bernadette Hengst, Claudia Wiedemer und Jochen Roller bringen uns auch zum Singen. Die meiste Zeit aber zum Zuhören: wenn sie die Begriffsgeschichte des Liberalismus von Adam Smith zu Margaret Thatcher nachzeichnen, Eigentumsrechte am System der Wasserversorgung und der musikalischen Ideen durchspielen und mit geklauten Melodien auffordern, über Globalisierung zu reden.

Dabei geschieht dann doch etwas Seltsames und Ungewohntes: Dieses scheinbar so ungeformte Stück, diese rohe Akkumulation von Informationen, macht aus uns, den Zuschauern, im Handumdrehen ein Wir. Ein bisschen albern, sicher, ein wenig unwillig auch, aber einig in der Wahrnehmung: Natürlich müsste man mehr wissen und mehr machen.

Matthias von Hartz, von dem das Konzept stammt, hat sich in verschiedenen Stücken mit der Verunsicherung des Subjekts beschäftigt. Wie es um Selbstvergewisserung kämpft, in Geschwätzigkeit zerfließt und seine Erfahrungen zerfallen. Die Krise des Ich, von der schon oft die Rede war, interessierte ihn da auch als Grund der Unfähigkeit, zum Wir zu gelangen.

Das aber stellen seine Produktionen eigenartigerweise selber her: die Vorstellung von Kollektiven, die das Stück erarbeitet haben und die es sehen. Obwohl sie sich mit so unpersönlichen Dingen beschäftigen wie Besitz- und Produktionsverhältnissen.

KATRIN BETTINA MÜLLER

„Alles muss man selber machen“, 12. bis 16. 11. in den Sophiensælen, 20 Uhr