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Archiv-Artikel

Tempelhof: Wowereit unter Feuer

Fluggesellschaften werfen dem Regierenden Bürgermeister vor, den Luftverkehr „in unbedachter Weise“ zu beschädigen. Senatssprecher Donnermeyer weist Kritik zurück

Gereizt haben Fluggesellschaften auf die Ankündigung reagiert, dass der Flughafen Tempelhof am 1. November 2004 geschlossen wird. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) beschädige „zum wiederholten Male in unbedachter Weise die Entwicklung des Luftverkehrs“, sagte der Sprecher der 13 in Tempelhof ansässigen Fluggesellschaften, Bernhard Liscutin. Wowereit greife mit seiner Äußerung in ein laufendes Verfahren ein. Der Regierende hatte den Novembertermin am Montag genannt. „Damit hat er lediglich eine Prognose abgegeben und nicht in ein Verfahren eingegriffen“, sagte Senatssprecher Michael Donnermeyer.

Laut Liscutin verstößt Wowereit mit seiner Ankündigung gegen einen Beschluss der Flughafen-Gesellschafter – Berlin, Brandenburg und der Bund: Demnach dürfte Tempelhof erst geschlossen werden, wenn der geplante Ausbau des Flughafens Schönefeld rechtlich in trockenen Tüchern ist. „Die fahren jetzt ganz dicke Kaliber auf, weil sie wissen, dass sie nicht mehr gewinnen können“, sagte Donnermeyer der taz. Die Gesellschafter hätten doch beantragt, den Flughafen 2004 schließen zu dürfen.

Die Entscheidung darüber fällt in der Luftfahrtbehörde des Bundes, möglicherweise bis Jahresende. Die Fluggesellschaften wollen sich offenbar mit allen rechtlichen Mitteln gegen eine Schließung wehren. „Wir gehen notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof“, sagte der Chef der Interessengemeinschaft City-Airport, Andreas Peters, der Nachrichtenagentur dpa.

Die Fluggesellschaften lehnen auch Wowereits Aussage ab, Tempelhof sei zu schließen, um den Erfolg des Schönefeld-Ausbaus nicht zu gefährden. „Wie dürftig müssen die Aussichten für dieses seit Jahren hochgejubelte Großprojekt für 20 bis 30 Millionen Fluggäste sein, wenn knapp eine Million Fluggäste in Tempelhof es gefährden können“, sagte Sprecher Liscutin.

Grünen-Verkehrsexperte Michael Cramer hingegen begrüßte Wowereits Aussagen und bezeichnete Kritik der Fluggesellschaften als „juristische Spitzfindigkeiten“. Er warf dem Regierenden Bürgermeister jedoch unrealistische Erwartungen vor: „Er träumt weiter vom Großflughafen mit Drehkreuzfunktion.“ Berlin aber sei Luftverkehrsprovinz. Cramer widersprach der Auffassung, der Schönefeld-Ausbau werde die schwächelnde Berliner Wirtschaft ankurbeln. „Die Wirtschaftsmisere liegt nicht am fehlenden Flughafen: Es gibt keine Stadt der Welt, die so viele Überkapazitäten hat wie Berlin.“

STEFAN ALBERTI