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Archiv-Artikel

Den Job bekommt, wer andere unterbietet

eBay für den Arbeitsmarkt: Wer sich bei JobDumping.de bewirbt, muss sich mit absoluten Mindestlöhnen abfinden

BERLIN taz ■ Heide hat den Zuschlag bekommen. Sie darf während der nächsten vier Monate vertretungsweise die heiligen Hallen eines renommierten Wirtschaftsinstitutes bohnern, die exquisiten Gemälde abstauben und überhaupt alles sauber halten. Auch die Küche wird sie bedienen: Sandwichs schmieren und Kaffee kochen. Das alles für 4,50 Euro die Stunde. Sie hatte auf mehr gehofft. Doch das neue Sozial- geld würde auch mit den Zuschlägen bei der Annahme eines so genannten Ein-Euro-Jobs noch darunterliegen. Morle und Waldi brauchen schließlich jeden Tag ihr Futter. Also geht Heide jetzt für 720 Euro im Monat ganztags arbeiten.

Bekommen hat sie ihren neuen Kurzzeitjob über die Firma JobDumping GbR. Sie vermittelt im Internet Beschäftigungsverhältnisse für minimal 3 Euro die Stunde. Die politische Akzeptanz für Mindestlohnverhältnisse dieser Tage macht solche Modelle möglich. Schließlich wird ja das Arbeitsamt selber ab Januar massenweise zusätzliche Arbeitsgelegenheiten, kurz Ein-Euro-Jobs vermitteln. Zu der Angst, dass eine Unmenge regulärer Stellen bald von öffentlicher Hand über diesen Weg besetzt werden, darf sich nun noch die Angst vor Unmengen von Mindestverdienern gesellen. Denn die Gewissensfrage ist bei der Methode der Arbeitsvermittlung über Jobdumping.de weitestgehend ausgeschlossen.

Das neue Internetportal sieht sich demnach auch als Konkurrenzmodell zum Arbeitsamt und wird nach eigenen Angaben von der Politik positiv aufgenommen.Von welchen Seiten der Politik, darüber möchte sich Fabian Löhr, Ansprechpartner in Münster und einer der beiden Köpfe, die hinter der Idee stecken, nicht äußern.

Zwei Arten der Gebotsabgabe sind möglich. Beim Logg-in wird das Qualifikationsprofil, eine im Vorfeld angelegte Übersicht der eigenen Fähigkeiten aktiviert. Auch der potenzielle Arbeitgeber legt die von ihm gewünschten Referenzen vorher fest.

Bei der „Jobofferte“ zeigt der Arbeitgeber das Maximum an, das er zu zahlen bereit ist, der Arbeitssuchende unterbietet. Wer den niedrigsten Stundenlohn akzeptiert, bekommt den Zuschlag, sofern nicht das so genannte Qualifikationscatching wahrgenommen wird. Dieser slanghaft gebrauchte Begriff bedeutet, dass sich der Stellenausschreibende doch noch für ei- nen anderen Bewerber entscheiden kann, wenn ihm dessen Profil mehr zusagt.

Die „Arbeitskraftofferte“, also das Anbieten der eigenen Arbeitskraft, beginnt bei 3 Euro Stundenlohn. Oder einer Festpauschale für kurzfristige einmalige Tätigkeiten. Interessenten bieten dann sukzessive höher. Auch hier kann 30 Minuten vor Auktionsende auf einen schlechter bezahlten aber sympathischer erscheinenden Job ausgewichen werden.

Die dritte Möglichkeit der herkömmlichen offenen Bewerbung zielt hauptsächlich auf den ersten Arbeitsmarkt ab und erleichtert lediglich die Kontaktaufnahme. Ab nächsten Monat ist auch die Ausbildungsvermittlung angedacht mit der Gewährleistung eines Probemonats für beide Seiten.

Grundsätzlich sind aber auch über den Auktionsweg Zugänge in den ersten Arbeitsmarkt möglich. Das Arbeitsverhältnis ist in jedem Falle gültig; da man während der laufenden Auktion nicht aussteigen kann, schwingt das Risiko Mindestlohn immer mit.

Wer Freunde hat und diese wirbt, bei Jobdumping.de zu partizipieren, bekommt sein Qualifikationsprofil bunt und attraktiv hervorgehoben. Die Ungeliebten bleiben weiter farblos.

STEFANIE WERNER