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Archiv-Artikel

Den Ehrentag verpasst

Erwin Teufel ließ alle Möglichkeiten verstreichen, in Würde abzutreten – zuletzt seinen 65. Geburtstag

VON HEIDE PLATEN

Die gemeinsamen Rücktritte des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel (65) und seines Staatsministers Christoph Palmer überraschten gestern Mittag in der Landeshauptstadt alle: Dabei beendet der CDU-Regierungschef mit der Ankündigung, im April zu gehen, ein verbiestertes, parteiinternes Hauen und Stechen, das seit fast einem Jahr tobte.

Der Konflikt war bereits im Dezember 2003 offen ausgebrochen, nachdem Teufel auf dem Landesparteitag in Böblingen als Parteivorsitzender nur 76,9 Prozent der Delegiertenstimmen erhalten hatte und hinter dem schlechten Ergebnis „Drahtzieher“ und „Mobbing“ seiner Person vermutete. Seither wurde immer wieder ein Generationenwechsel gefordert. Erste öffentliche Fragen, wie lange „der Alte“ es denn noch machen wolle, waren schon während des Landtagswahlkampfs 2001 laut geworden. Es gab geschickt gestreute Gerüchte, dass er nach dem Wahlsieg auf Halbzeit spielen und zur Mitte seiner dritten, vollen Legislaturperiode seinen Rücktritt erklären werde. Andere setzten den Termin auf seinen 65. Geburtstag am 4. September 2004 fest, der doch ein schöner, feierlicher und angemessener Anlass für einen Abgang „in Würde“ gewesen wäre.

Auch der Ehrentag verstrich. Teufel stellte sich stattdessen stur und ließ im Gegenzug schon im Juni 2004 durchblicken, er sei durchaus imstande, auch zur Landtagswahl 2006 noch einmal als Spitzenkandidat anzutreten. Er verwies auf Umfrageergebnisse, die ihm größere Beliebtheit im Land attestierten als seiner Partei. Nachfragen schmetterte er noch vergangene Woche brüsk ab. Er sage „zum 24. Mal, was ich schon 23-mal gesagt habe“, nämlich, dass er sich „rechtzeitig“ bis zum 12. Februar 2005 zu seinen Plänen äußern werde. Dann soll auf einem Sonderparteitag endgültig über den neuen Spitzenkandidaten entschieden werden. Seine Gegner lancierten flugs anders lautende, interne Informationen. Zur Landesvorstandssitzung am kommenden Wochenende, spätestens aber bis Weihnachten müsse Teufel Rede und Antwort stehen.

Der Druck auf Teufel war in der vergangenen Woche noch einmal gewachsen. In schneller Folge outeten sich seine Gegner öffentlich: die Landesgruppe der baden-württembergischen CDU-Bundestagsabgeordneten, etliche Europaabgeordnete, die Junge Union, CDA, Frauen-Union, der kleine Koalitionspartner FDP. Die Ehrenerklärungen, unter anderem von der Senioren-Union, nahmen sich hingegen eher spärlich aus. Teufels Heimat-CDU in Villingen-Schwenningen wetterte: Das „Trommelfeuer“ gegen ihn zeuge „von einem rücksichtslosen menschlichen Umgangston miteinander“ und sei „einer christlichen Partei absolut unwürdig“.

Der Auslöser für Teufels Abgang ist nun die peinliche Eskalation des Konflikts am Sonntagabend ausgerechnet auf der Wahlparty seines Parteifreundes, des Stuttgarter Oberbürgermeisters Wolfgang Schuster. Dass Staatsminister Christoph Palmer laut mehreren Zeugenaussagen zu später Stunde den Waiblinger CDU-Bundestagsabgeordneten und Teufel-Gegner Joachim Pfeiffer „Verräter“ schimpfte und zweimal kräftig ohrfeigte, zwang den Ministerpräsidenten zum Handeln. Zum Abschied sagte er, er wolle damit Schaden von „diesem hohen Amt“ abwenden, das er immer „als Verpflichtung und nicht als Spiel“ empfunden habe: „Unerträglich wäre es für mich, wenn die Bürger den Eindruck bekommen, dass ich an einem Amt klebe.“

Der Streit in der Südwest-CDU ist mit Teufels Rücktritt längst nicht ausgestanden. Er verlagert sich nun auf die potenziellen Nachfolger, deren Umfrageergebnisse derzeit weit hinter denen des bisherigen Amtsinhabers liegen. Teufel galt zwar als wenig charismatisch, aber als zuverlässig. Er wuchs auf einem Bauernhof bei Rottweil in einer kinderreichen Familie in bescheidenen Verhältnissen auf. Der Diplomverwaltungswirt, der eigentlich vom Beruf Sportreporter träumte, wurde 1964 in der Stadt Spaichingen jüngster Oberbürgermeister der Bundesrepublik. Als Ministerpräsident regierte er seit 1991 skandalfrei und wurde dreimal wiedergewählt.