Ländliche CDU in Merkel-Form

Wie CDU-Chefin Angela Merkel befindet sich die Münsterland-CDU in der Krise. Herbstdepression nach Wahlpleiten in Bocholt und Coesfeld. Abgewählter CDU-Bürgermeister von Ibbenbüren will Geld

VON MARTIN TEIGELER

Die heile CDU-Welt im Münsterland ist aus den Fugen geraten. Seit den überraschenden Kommunalwahl-Niederlagen der Christdemokraten auf dem platten Land hadern die Konservativen mit sich selbst. Besonders in den münsterländischen Ex-Hochburgen Bocholt, Coesfeld, Ibbenbüren und Rheine wurden die Unionschristen durch die Wahl in eine Herbst-Depression gestürzt. Verstärkt wird das Stimmungstief noch vom Führungsstreit in der Berliner Parteispitze.

„Der Wähler wollte uns einen Denkzettel erteilen“, sagt der Coesfelder CDU-Kreischef und Landtagsabgeordnete Werner Jostmeier. 24,2 Prozent hat die CDU in Coesfeld verloren, auf 38 Prozent sind die einst erfolgsverwöhnten Christdemokraten abgesackt. „Es gab vor Ort einzelne Sachentscheidungen, die dem Wähler nicht gefallen haben“, erklärt Jostmeier. Schulschliessungen, Streit um die Einführung einer neuen Abfalltonne – die absolute Mehrheit sei auch deshalb verloren gegangen. „Dabei haben wir in Coesfeld doch die niedrigste Arbeitslosenquote in NRW“, nimmt Jostmeier das Wählerverhalten beinahe übel.

Geschockt vom Wählerwillen ist der Coesfelder Stadtverbands-Vorstand geschlossen zurückgetreten. Erst im Januar soll eine neue Führung bestimmt werden. „Die Basis will erstmal gehört werden und nicht nur alles abnicken“, sagt NRW-Parlamentarier Jostmeier. Mit ihren 4.000 kreisweiten Mitgliedern sei die Coesfelder Christdemokratie „kerngesund“. Die Parteifreunde seien gesellschaftlich verankert, organisiert bei „KAB und Kolping“. Jostmeier verteidigt das Parteivolk, eine schlüssige Erklärung für die Niederlage hat er nicht.

Besonders bitter ist die Situation für die CDU im westlichen Münsterland. Der bevölkerungsreiche Südwesten im ländlichen Kreis Borken fiel komplett an Rot-Grün. In Isselburg gewann SPD-Mann Adolf Radstaak die Bürgermeister-Wahl. In Rhede triumphierte der grüne Amtsinhaber Lothar Mittag. 73,2 Prozent bestätigten den populären Rathauschef. Hans-Jürgen Schimke, zweiter grüner Bürgermeister im Land NRW aus Laer, schaffte ebenso ein Ergebnis wie CSU-Regenten im tiefsten Bayern: 78,7 Prozent. Völlig unerwartet verlor die CDU auch das Rathaus in der 73.000-Einwohner-Stadt Bocholt. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg regiert in der von Siemens- und Karstadt-Krise geschüttelten Kommune mit dem Rechtsanwalt Peter Nebelo ein Sozialdemokrat.

Zwei Tage nach dem Machtverlust der CDU kündigte der Bocholter Landtagsabgeordnete Heinrich Kruse sein politisches Karriere-Ende an. „20 Jahre Landtagsarbeit reichen“, beschied der 58-jährige Landwirt seinen überraschten Politkollegen, die nun schnell einen Nachfolger für die Wahl 2005 finden müssen. Interessierte CDU-Mitglieder können sich jetzt beim Stadtverband schriftlich für das Landtagsmandat bewerben. Ein Anwärter ist nun der NRW-Landesvorsitzende der Jungen Union: Hendrik Wüst aus Rhede.

In Ibbenbüren will die CDU den Machtverlust offenbar finanziell kompensieren. Der abgewählte CDU-Bürgermeister Otto Lohmann stellte wenige Tage nach der Wahlniederlage den Antrag, seine Ausbildungs- und Beschäftigungszeiten vor Antritt des Rathausamtes für sein Ruhegehalt anrechnen zu lassen. „Der Antrag liegt vor“, so eine Sprecherin der neuerdings SPD-regierten Kommune auf Anfrage. Der dreiste Vorstoß des Ex-Bürgermeisters offenbart Chuzpe. Die Christdemokraten scheinen im Münsterland noch nicht realisiert zu haben, dass sie vielerorts gar nicht mehr regieren.