Faustpfand für einen Jugendtreff
Nach der Besetzung einer denkmalgeschützten Villa in Aachen verhandeln Besetzer mit der neuen rot-grünen Ratsmehrheit über die Schaffung eines „Sozialen Zentrums“
Aachen taz ■ Nach fünf Hausbesetzungen rückt in Aachen die Schaffung eines selbst verwalteten „Sozialen Zentrums“ für unkommerzielle Jugend- und Kulturarbeit näher. Nachdem am Samstag eine spätklassizistische Villa in der Schildstraße besetzt worden war, begannen gestern Gespräche zwischen Besetzern und Vertretern der neuen rot-grünen Ratsmehrheit. Geklärt werden soll, ob man den Besetzern eine städtische Liegenschaft für besagtes Zentrum nebst Bauwagenplatz zur Verfügung stellen kann.
Die Forderung nach dem „Sozialen Zentrum“ steht schon seit Herbst 2002 im Raum. Seinerzeit war ein Gebäude der Fachhochschule besetzt worden. Rund 850 Polizisten räumten es dann Ende 2002. Zwei weitere Besetzungen folgten bis Frühjahr 2003, sie wurden in Absprache zwischen Eigentümern und Besetzern beendet. Im September 2004 kam es zur dreitägigen „symbolischen Besetzung“ des historischen Torbogenhauses eines Parks, der an eine Versicherung verkauft wird. Letzten Samstag folgte dann die „symbolisch auf eine Woche befristete“ Besetzung eines denkmalgeschützten Anwesens, das in seiner mehr als 150 Jahre alten Geschichte als Fabrikantenvilla, Jesuitenherberge und bis 1995 als Tanzschule diente. Obwohl Teile verfallen sind, blieben kunstvolle Stuckdecken, Wandmalereien und Antiquitäten erhalten.
Zunächst hatte es am Montag danach ausgesehen, als würde das Haus rasch polizeilich geräumt werden. Obwohl die Besetzer betonten, sie wollten Schäden vermeiden, befürchtete der Verwalter des Privateigners Zerstörungen und sah „Gefahr in Verzug“. Erst durch das Engagement der Ratsherren Martin Künzer (SPD) und Günter Schabram (Grüne) begannen Verhandlungen. Die Besetzer sicherten zu, im Falle von Gesprächen mit SPD und Grünen das Haus am Dienstag freiwillig aufzugeben. Der Eigentümer wollte dann von rechtlichen Schritten absehen.
Hilde Scheidt, Grünen-Ratsfrau und stellvertretende Bürgermeisterin, sieht nach dem gestrigen Gespräch eine „gute Basis“ für das selbst verwaltete Projekt und ein Ende der Serie von Hausbesetzungen. Das von den Besetzern vorgelegte Nutzungskonzept für ein „Soziales Zentrum“ sei vielversprechend, sagte sie der taz. Indes müssten die Fraktionen von SPD und Grünen sowie die Stadtverwaltung „noch klären, wie sie damit umgehen“. Scheidt glaubt, das Prozedere werde noch ein halbes Jahr dauern.
Schon 1992 hatte die damalige rot-grüne Ratsmehrheit Hausbesetzern einen Bunker als „Autonomes Zentrum“ zur Verfügung gestellt. Dieses war allerdings im Herbst 2002 wegen Brandschutzmängel geschlossen worden und wird nach Umbauarbeiten im November unter strengen Auflagen wieder öffnen.
Michael Klarmann