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Archiv-Artikel

Volk in den Hürden

CDU will Volksentscheide erschweren. Keine Unterschriftensammlungen auf der Straße und keine Abstimmungen an Wahltagen mehr

„Eine solche Volksgesetzgebung ist das Papier nicht wert, auf dem sie steht“

Von Gernot Knödler

Die CDU will die Hürden für einen erfolgreichen Volksentscheid höher legen. Ein entsprechender Antrag für die Bürgerschaft, den die Fraktion am Montagabend beschlossen hat, ist gestern auf heftige Kritik gestoßen. Er sieht unter anderem vor, das Unterschriftensammeln auf der Straße zu verbieten. Auch sollen Volksentscheide nicht mehr zusammen mit Wahlen abgehalten werden dürfen. Die Neuregelung solle „ein einfacheres und kostengünstigeres Volksabstimmungsverfahren ermöglichen, ohne dabei die Beteiligungsrechte der Bürger einzuschränken“, versichert die CDU.

SPD, GAL und Gewerkschaften werfen der Union hingegen vor, sie wolle die Volksgesetzgebung einschränken, weil sie mehrere Niederlagen erlitten habe. „Eine solche Volksgesetzgebung ist das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben steht“, kommentierte Manfred Brandt vom Landesverband „Mehr Demokratie“.

Um die Ämter mit der Entgegennahme der Unterschriften für Volksbegehren nicht zu überfordern, will die Regierungsfraktion die Eintragungsfrist von zwei auf drei Wochen verlängern. In dieser Zeit müssen rund 60.000 Unterschriften zusammenkommen, damit ein Volksentscheid möglich wird. Damit kein Unterzeichner sehen kann, wer außer ihm noch signiert hat, sollen die Unterschriften nicht mehr auf Listen, sondern auf einzelnen Bögen geleistet werden. Der Senat möge überdies die Briefabstimmung erleichtern und nicht mehr in Abstimmungslokalen mit freiwilligen Abstimmungsvorständen, sondern „in bezirklichen Dienststellen“ abstimmen lassen. Wer einen Volksentscheid initiiert, soll künftig auch sagen, wie dessen Folgen bezahlt werden können.

Letzteres sei „schlicht Unfug“, sagt Brandt. Haushaltsangelegenheiten können nach Artikel 50,1 der Hamburgischen Verfassung nicht Gegenstand einer Volksinitiative sein. Volksentscheide nicht mehr an einem Wahltag stattfinden zu lassen, werde die Kosten erhöhen. Dass es die Abstimmungsbeteiligung verringern wird, gibt auch der CDU-Verfassungsexperte Manfred Jäger zu. Wenn manche Volksentscheide an Wahlterminen stattfänden und andere nicht, führe das jedoch zu einer Ungleichbehandlung.

Auch das Verbot des Unterschriftensammelns durch die Initiativen erhöhe eine Hürde, weil Abstimmungswillige eigens eine Amtsstube aufsuchen müssten, räumt Jäger ein. „Wenn ich hinter einer Sache stehe, kann von mir auch erwartet werden, dass ich diese Mühe auf mich nehme“, gibt er aber zu bedenken. In den meisten Bundesländern sei es vorgeschrieben, die Unterschriften auf dem Amt zu leisten.

Das gilt zum Beispiel für Bayern, wo die Zahl der geforderten Unterschriften zwar höher liegt als in Hamburg, eine Mindestbeteiligung beim eigentlichen Volksentscheid aber nicht vorgesehen ist. In Bayern gab es seit 1969 fünf erfolgreiche Volksentscheide, in Hamburg waren es drei seit 1996.

Die aktuelle Regelung in Hamburg ist 1998 von SPD und CDU beschlossen worden, nachdem ein Volksentscheid zur Verbesserung der Volksgesetzgebung knapp gescheitert war. Dabei wurde die Möglichkeit zur Straßensammlung neu geschaffen und im Gegenzug die schriftliche Benachrichtigung über das Volksbegehren gestrichen. Die Benachrichtigungskarte sei eine Innovation Hamburgs gewesen, sagt Tim Weber vom Bundesvorstand von Mehr Demokratie. Gebe es weder die Benachrichtigungskarte noch die Straßensammlung und zusätzlich die Trennung der Abstimmungs- von Wahlterminen, komme dies „fast einem Todesstoß“ für die Volksgesetzgebung in Hamburg gleich. Die Entkoppelung von den Wahlterminen, warnt auch Martin Schmidt, Mitautor der aktuellen Regelung, widerspreche der Verfassung.