Austritt um jeden Preis

Zwangsmitglieder gegen Arbeitnehmerkammer

bremen taz ■ Um die Zukunft der Bremer Arbeitnehmerkammer ging es gestern vor dem Bremer Oberverwaltungsgericht. Dort hatten zwei von rund 300.000 Kammermitgliedern eine Berufungsverhandlung durchgesetzt. Die beiden Kläger, Mitglieder der „Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsräte“, wollen nicht länger „Zwangsmitglieder“ der Kammer sein, an die sie wie alle Arbeitnehmer Bremens 0,15 Prozent ihres Bruttolohns abführen. Zwar hatte das Verwaltungsgericht die Klage der beiden auf Entlassung aus der Kammer abgelehnt – eine Berufung aber wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Dass die Kammermitgliedschaft künftig frei wählbar ist, zeichnet sich nach der gestrigen Verhandlung indes nicht ab. Der Anwalt der Kläger konnte kaum deutlich machen, dass die Kammer ihre Arbeit so weitgehend verändert habe, dass ein Verfassungsgerichtsurteil von 1974 – das die Kammer in jetziger Form zulässt – seine Gültigkeit verlöre. Eine richterliche Entscheidung wird in zwei Wochen erwartet.

Zufrieden äußerte sich nach der Verhandlung Kammer-Chef Hans Endl: „Wir sehen der Entscheidung gelassen entgegen.“ Während der Sitzung allerdings hatte der Justiziar der Kammer den Richtern noch nahe gelegt, sich doch zur Berechtigung der Kammerarbeit zu äußern – und nicht nur auf ein altes Urteil des Verfassungsgerichtes zu verweisen, das Gültigkeit behalte. Damals hatten die Richter den Ländern großen Spielraum für die Ausgestaltung von Zwangskörperschaften wie der Arbeitnehmerkammer eingeräumt.

Der Anwalt der Kläger, Axel Adamietz, versuchte unterdessen, an den gesetzlichen Grundlagen der Kammerarbeit zu rütteln. Danach nämlich dürfe die Kammer sich quasi mit allem beschäftigen, was den Arbeitnehmer „von der Wiege bis zur Bahre“ betrifft. „Ich sage: Das ist ein Missverständnis des Gesetzgebers“, so Adamietz. Das zugrunde gelegte Gesamtinteresse der Arbeitnehmerschaft gebe es so nicht – und im Übrigen auch keine Mechanismen, die den Mitgliedern Kontrolle über das Geschehen einräumten. Schon die Bestellung der Vorstandsmitglieder aus zumeist DGB-Gewerkschaftern spreche dagegen. Es sei richtiger, sie vom Parlament bestimmen zu lassen. Auf die Richterfrage, wo Adamietz so weit reichende Veränderungen bei der Kammerarbeit erkenne, dass das Verfassungsgerichtsurteil nicht weiter gelten könne, räumte dieser ein, dass es schwierig sei, gegen einen gesetzlich so weit gefassten Auftrag anzugehen. Jedoch habe eine Gesetzesnovelle von 2000 die Arbeitsfelder der Kammer erweitert – eine Sicht, der die beklagte Kammer mit dem Gesetz in der Hand widersprach: Der Gesetzgeber habe ausdrücklich Begrenzungen vornehmen wollen. ede