Hohmanns letzte Worte

Der Abgeordnete verabschiedet sich mit einer trotzigen und uneinsichtigen Rede aus der CDU-Bundestagsfraktion

aus Berlin LUKAS WALLRAFF

Ein leiser Abschied ist Martin Hohmanns Sache nicht. Wenn er schon gehen muss, dann möchte er es mit Stil tun – oder mit dem, was er dafür hält. Gestern Abend, gegen Ende der Fraktionssitzung der Union im Bundestag, ist Hohmann offensichtlich klar geworden, dass er ausgespielt hat, dass er die Zahl seiner treuen Unterstützer an einer Hand abzählen kann. Auch er kam nicht umhin zu registrieren, dass in der mehrstündigen Sitzung niemand ernsthaft gegen den Beschluss der CDU-Führung rebellierte, Hohmann aus Partei und Fraktion auszuschließen. Zu uneinsichtig hatte er sich verhalten, zu viel Ärger hatte er der Union in den letzten Wochen eingebrockt. Dass er jetzt gehen muss, ist ein schwerer Schlag für Hohmann, der die CDU seine „Heimat“ und die Fraktion seine „Familie“ nennt. Alle sollten deshalb wissen, wie er sich fühlt – nämlich wie ein Hingerichteter auf dem Weg zum Schafott.

Zuvor meldete sich Hohmann noch ein letztes Mal zu Wort. Er werde jetzt seine „famous last words“ sprechen, kündigte der künftig fraktionslose Abgeordnete an und holte aus zu einer politischen Erklärung, die allem widersprach, was man vorher von ihm verlangt hatte. Demut, Reue und eine glaubwürdige Distanz zu jeder Art von Antisemitismus – das hatte die CDU-Spitze gefordert. Was er vortrug, beseitigte stattdessen auch die letzten Zweifel daran, ob seine diversen Entschuldigungen der letzten Tage ernst gemeint waren. Sie waren es offenkundig nicht. Teilnehmern zufolge teilte Hohmann seinen leicht perplexen Fraktionskollegen mit, er wehre sich „gegen den wabernden Vorwurf, dass die Deutschen die Bösen der Geschichte sind“. Auch könne er „nicht mit der Kollektivschuld herumlaufen“. All seine Äußerungen aus der antisemitischen Rede zum Tag der deutschen Einheit zurücknehmen, so Hohmann konsequent, wäre „inkonsequent und unglaubwürdig“.

Das Mitleid mit dem vom Ausschluss Bedrohten hielt sich anschließend auch bei den Kollegen spürbar in Grenzen, die ihm bis zum Schluss die Stange gehalten hatten. Fraktionsvize Friedrich Merz etwas hatte sich bei der Vorabstimmung im Fraktionsvorstand noch der Stimme enthalten. Gestern stürmte er aufgebracht aus dem Fraktionssaal und lobte Hohmanns Ausschluss als „richtige Entscheidung“. Damit traf er wohl die allgemeine Stimmung. Er würde sich nicht wundern, sagte Merz, wenn Hohmann die Konsequenzen zöge und „noch heute Abend“ aus Partei und Fraktion austreten würde. Damit könne er der CDU einiges ersparen. „Wenn nicht, wird am Freitag entschieden.“

Ob er es wahrhaben wollte oder nicht: Über Hohmanns Schicksal war im Grunde bereits am Montag entschieden worden – von Fraktionschefin Angela Merkel und Hessens CDU-Landeschef Roland Koch. Höchstwahrscheinlich hätte ihn nicht einmal eine sensationelle, demütige und glaubwürdige Verteidigungsrede in der Fraktion gerettet. Nach Darstellung von Fraktionsvize Wolfgang Bosbach war „der Ofen aus“, als sich Hohmann am Montag in einem letzten internen Gespräch weigerte, eine öffentliche Erklärung abzugeben, dass er seine Rede inzwischen auch inhaltlich bereue. Der Angegriffene habe geantwortet: „In der Politik geht es um Taktik.“ Danach sei er vor die Wahl gestellt worden: „Austritt oder Ausschluss“.

Die Spitzenpolitiker der Union in Berlin und München zeigten sich gestern durch die Bank erleichtert über diese Entscheidung. „Ich stehe voll und ganz hinter diesem Beschluss“, sagte Edmund Stoiber. Aus Sicht des CSU-Chefs und der übrigen Unionsspitze wurde mit den angekündigten Ausschlussverfahren gegen Hohmann das Schlimmste gerade noch verhindert, nämlich eine andauernde öffentliche Debatte über rechtsradikale Tendenzen in der CDU. Bei der Entscheidung gegen Hohmann stand nicht die moralische Bewertung seiner antisemitischen Äußerungen im Vordergrund, auch wenn die CDU das jetzt glauben machen möchte. Den Ausschlag gab eine ganz pragmatische Schadensabwägung. Die anhaltende, negative Berichterstattung drohte die Strategie der Union im Reformherbst kaputtzumachen. Ausnahmsweise gereichten Merkel dabei die bundespolitischen Ambitionen ihres Rivalen Roland Koch zum Vorteil. Sich auf Dauer hinter einen uneinsichtigen Antisemiten zu stellen kam auch für den ehrgeizigen Hessen nicht in Frage. Also stimmte er dem Parteiausschlussverfahren zu.