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Archiv-Artikel

Wüstenesel gegen Bagdadis

Amerikaner, die lange in der arabischen Welt leben, stimmen bei den Präsidentschaftswahlenmeist für Kerry. Doch eine große Ausnahme gibt es: die im Irak stationierten 130.000 US-Soldaten

Es gab eine qualitative Änderung unter Bush, wie die Leute hier Amerikaner sehen

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

US-Amerikaner, die im Nahen und Mittleren Osten leben, haben es dieser Tage nicht einfach. Da quält sie zunächst die ständige Angst vor Anschlägen und jetzt auch noch die Frage, ob Kerry oder Bush demnächst über ihr risikoreiches Lebens in der Konfliktregion bestimmt.

Trotzdem, ein wenig neidisch könnte man schon werden, wenn man den amerikanischen Journalist Paul Schemm in seinem Büro in Kairo besucht. Der 33-Jährige lebt und arbeitet seit fast sieben Jahren auf einem Hausboot am Nil. Wie viele der 20.000 in Ägypten lebenden Amerikaner hält er nicht lange hinter dem Berg, wem er bei den US-Wahlen seine Stimme gibt. Die ersten Jahre in Kairo hat unter dem Demokraten Bill Clinton verbracht, den Rest unter Bush. „Es gab eine qualitative Veränderung unter Bush, wie die Leute hier Amerikaner sehen“, erklärt er. Auch früher hätten sie stets ihre Differenzen mit der US-Politik in der Region, etwa in der Israel-Frage, deutlich gemacht. Aber, sagt Schemm, „die Menschen hier haben immer zwischen der US-Regierung und den Amerikanern unterschieden“. US-Bürger seien sogar oft besonders beliebt gewesen. Seit dem Irakkrieg habe sich der Antiamerikanismus verschärft. „Es ist jetzt nicht mehr nur die US-Regierung, die sie hassen, sondern das ganze Konzept einer amerikanischen Existenz“, glaubt Schemm.

Sieht man vom diplomatischen Corps an den US-Botschaften ab, liegen die Präferenzen der meisten amerikanischen Zivilisten, die seit langem in der Region leben, eindeutig bei John Kerry. Und sie waren selten so motiviert wie heute. Nach Angaben der US-Botschaft in Kairo war der Andrang, den per Post erhaltenen Wahlzettel an die heimischen Wahlbezirke zurückzuschicken, diesmal besonders hoch. Bis zu hundert Umschläge am Tag wurden in den Wochen vor den Wahlen eingereicht.

Der Politologe Joel Benin ist als Gastprofessor von der Stanford-Universität in Kalifornien an die Amerikanischen Universität in Kairo gekommen. Ihn ärgert besonders, dass Bush sich als derjenige verkauft, der besser für Sicherheit sorgen könne. „Sicherheit bedeutet für viele Amerikaner, wenn uns jemand bedroht und nicht auf uns hört, bringen wir ihn um“, erklärt Benin und fügt hinzu: „Wenn jemand wie Kerry andere Lösungen anbietet und sagt, lass uns erst einmal nachdenken und mit unseren Verbündeten beraten, dann wird dass nicht als Intelligenz, sondern als Schwäche angesehen.“

Doch Bush würde die Wahlen aller Voraussicht nach nicht verlieren, wenn nur die in der Region lebenden Amerikaner wahlberechtigt wären. Die meisten Wähler leben im Irak und gehören zu den dort stationierten 130.000 US-Soldaten. Wahlkampfgruppen wie die „Wüstenesel für Kerry“ haben dort zwar versucht, die „Bagdadis for Bush“ auszubooten, doch die Fachleute sind sich sicher: die meisten Stimmen der Soldaten werden an Bush gehen.

Ralph Berenger, der an der gleichen Universität wie Benin Journalismus unterrichtet, gehört zur seltenen Spezies der Bush-Wähler in Kairo. Man wechselt mitten im Krieg nicht das Pferd, lautet das Hauptargument des schwergewichtigen Mannes, der aus Idaho stammt. Er kann der Ära Bush auch im Nahen Osten Gutes abgewinnen. „In Afghanistan konnten die Frauen das erste Mal seit 5.000 Jahren wählen, Saddam ist im Gefängnis, Libyen hat dem Terrorismus abgeschworen“, zählt er auf. „Viele haben einfach dank Amerika begriffen, dass sie einen falschen Weg eingeschlagen haben.“

Der Journalist Paul Schemm hat seine Zweifel, ob eine US-Regierung unter Bush tatsächlich die Region befrieden und demokratisieren kann. Er glaubt, das Gegenteil sei der Fall: „Die amerikanischen Neokonservativen und die militanten Islamisten werfen sich gegenseitig die Bälle zu“, sagt er. Ussama Bin Laden und Saddam Hussein seien wichtige Mobilisierungsfaktoren für das Bush-Lager, so wie sich die militanten Islamisten an der Person Bush hochzögen. Beide teilten die Welt in Schwarz und Weiß. Schemm lehnt sich in seinem Stuhl zurück, während aus dem offenen Hausbootfenster eine kühle Brise vom Nil hereinweht, und denkt einen Moment nach. „Man kann sogar sagen“, fügt er schließlich hinzu, „dass Bush das Beste ist, was den militanten Islamisten seit Ussama Bin Laden passieren konnte.“