Off-Kino : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Im Filmkunsthaus Babylon beschäftigt man sich in diesem Monat mit der Kontroverse, die der kürzlich verstorbene Regisseur Elia Kazan auslöste, als er im Jahr 1952 vor dem „House Un-American Activities Committee“ (HUAC) aussagte. Im Zeichen des Kalten Krieges hatte das HUAC seit 1947 begonnen, auch Hollywood ins Visier seiner Untersuchungen zu nehmen. Tatsächliche oder vermutete Kommunisten und Liberale wurden vor den Ausschuss zitiert und mit der Gretchenfrage konfrontiert: „Sind Sie jetzt oder waren Sie jemals Mitglied der Kommunistischen Partei?“ Einige Autoren und Regisseure verweigerten damals unter Berufung auf die amerikanische Verfassung die Aussage – und wurden wegen Missachtung des Kongresses zu Gefängnisstrafen verurteilt. In einer ersten Anhörung vor dem Ausschuss im Januar 1952 hatte sich Elia Kazan zwar zu seiner Mitgliedschaft in der kommunistischen Partei von 1934 bis 1936 bekannt, sich jedoch zunächst geweigert, Namen anderer Mitglieder zu nennen. Im April 1952 sagte er jedoch freiwillig erneut aus und nannte 16 Namen damaliger Parteigenossen, die meisten, wie Kazan selbst, ehemalige Mitglieder des Group Theaters.
Unabhängig davon, ob – wie Kazan behauptete – diese Namen längst bekannt waren: Diesen Verrat haben viele Menschen in Hollywood dem Regisseur nie verziehen. 1954 drehte Kazan dann den am kontroversesten diskutierten Film seiner Karriere: Vielfach ist „On the Waterfront“ (Die Faust im Nacken) als Rechtfertigung des Verrats angesehen worden – eine Interpretation, der Drehbuchautor Budd Schulberg – der ebenfalls mit dem Ausschuss kooperiert hatte – stets mit dem Argument entgegengetreten ist, der Film sei schon Jahre zuvor geplant gewesen. Doch der Plot wie auch die Inszenierung sprechen eine andere Sprache: Da erkennt der Arbeiter Terry Malloy (Marlon Brando) unter Seelenqualen, dass seine „Freunde“ von der Hafenarbeitergewerkschaft mafiöse Gangster sind, und verrät sie vor einer Untersuchungskommission. Am Ende inszeniert Kazan Brando in christusgleicher Ikonografie: Reihen von Hafenarbeitern säumen den Weg, den der geschundene und blutüberströmte Terry zurückzulegen hat, der unter seiner zentnerschweren Last der Verantwortung dahinwankt wie weiland Jesus unter der Last des Kreuzes.
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„Sie tut ja gar nichts.“ Louise Brooks’ „underplay“, ihren Verzicht auf eine theatralische Mimik und Gestik, interpretierte man im Deutschland der späten 20er, als die amerikanische Schauspielerin zu Aufnahmen für die G.W.-Pabst-Filme „Die Büchse der Pandora“ und „Tagebuch einer Verlorenen“ in Berlin weilte, vor allem als schauspielerisches Unvermögen. Aus heutiger Sicht wirkt Brooks in ihrer Natürlichkeit und lebendigen Frische dagegen ungeheuer modern: Als Lulu in „Die Büchse der Pandora“ öffnet sie dieselbe für die mit ihr in Kontakt tretenden Männer und verkörpert mit fröhlicher Unmoral eine Frau, der die sexuell motivierte Gier nach Leben förmlich aus allen Knopflöchern platzt. LARS PENNING