Keine Filme für die Morakonale

Weil die „Diagonale“ in Graz ein kommerzielles Konzept bekommen hat, organisieren Österreichs Regisseure am gleichen Ort ein Gegenfestival

„Sieger sehen anders aus“, sang Franz Morak, ehemaliger Burgtheaterschauspieler und selbst ernannter „New-Wave-Schizo-Punk“, noch in den wilden Achtzigern. Seit er im Februar 2000 für die konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP) das Amt des Staatssekretärs für Kunst und Medien angetreten hat, bläst dem Ex-Rock-'n'-Roller selbst ein harter Wind ins Gesicht. Gleich nach Amtsantritt erklärten die Preisträger des Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreises, sie wollten die Ehrung „nicht aus der Hand eines Mitglieds der gegenwärtigen österreichischen Regierung entgegennehmen“.

Mangelnde Kommunikationsbereitschaft wurde Morak seither mehr als einmal vorgeworfen. Im März entschied er, beim größten österreichischen Filmfestival, der „Diagonale“ in Graz, seien „neue Akzente“ notwendig – ohne Absprache mit den damaligen Intendanten Constantin Wulff und Christine Dollhofer. Sie wurden kurzerhand durch zwei neue Gesichter ersetzt, um den Weg frei zu machen für Moraks Vision: Ein Festival für Graz, das sich mit den Festspielen in Cannes, Venedig oder Berlin messen kann – Verlängerung auf neun Tage, Verdoppelung der Preisgelder, Einführung eines Wettbewerbs inklusive.

Die „Diagonale“ galt zuletzt als Plattform für das gesamte österreichische Filmschaffen eines Jahres. Vor allem kurze, experimentelle und im Kinoalltag unterrepräsentierte Arbeiten drohen nun in Moraks kommerziellem Konzept unterzugehen. Daraufhin erklärten etwa Michael Haneke, Ulrich Seidl oder Barbara Albert, ihre Filme nicht zur Verfügung stellen zu wollen. Die Regieverbände sowie die Interessengemeinschaft der Dokumentarfilmer kündigten die Zusammenarbeit mit der Diagonale-Leitung auf. Und auch Alexander Horwath, Direktor des Österreichischen Filmmuseums, versprach: „Das Filmmuseum wird nicht mit der Diagonale kooperieren.“

Stattdessen haben die Filmschaffenden ein Festival in Eigenregie beschlossen. Das hat im Alpenland durchaus Tradition: In den Neunzigern war die „Diagonale“ selbst angetreten, die ungeliebten „Welser Filmtage“ zu beerben. Jetzt soll das ehemalige Protestprojekt wiederum mit der Initiative „Wir sind die Diagonale“ Konkurrenz bekommen. Für deren Sprecher Alexander Dumreicher-Ivanceanu ist dies „die eigentliche Diagonale“, folglich will man auch in Graz bleiben – und hat den Termin voller Selbstbewusstsein genau vor das Morak-Festival im März 2004 gelegt. „Sehr offen und mit großem Interesse“ sei man in der Stadt Graz diesem Vorschlag begegnet, so Ivanceanu – auch, was eine mögliche finanzielle Unterstützung angeht. Graz könne es sich nicht leisten, dass das wichtige Festival in eine andere Stadt abwandert.

Für eine Einigung sieht Ivanceanu kaum noch Chancen: Morak habe erfolgreich eingespielte Strukturen ohne Not zerschlagen und damit das „Grundvertrauen der Filmszene“ verspielt. Das bekommt der Kulturstaatssekretär nun deutlich zu spüren. Die „Morakonale“, wie sie nur noch verächtlich genannt wird, droht ein Filmfestival ohne Filme und Filmemacher zu werden.

DIETMAR KAMMERER