Castoren rollen schnell und billig

In Rekordzeit erreichen Castoren das Zwischenlager in Gorleben. Polizei nimmt mehr als 250 Personen in Gewahrsam Eigentlich wollten die Demonstranten den Atommülltransport so lange wie möglich verzögern – damit er richtig teuer wird

aus Gorleben NICK REIMER

Die letzten Kilometer sind schnell beschrieben: Ohne große Zwischenfälle erreichten die Castoren gestern Morgen ihr Ziel. Um 4 Uhr brachen die Tieflader am Verladekran in Dannenberg auf, um halb 6 fuhren sie im Zwischenlager Gorleben ein. Sonntag 19 Uhr in La Hague gestartet, dauerte die Reise des siebten Atommülltransportes ins Wendland diesmal 58,5 Stunden: neuer Rekord. Der letzte Transport hatte noch 61 Stunden gebraucht.

Allerdings sah es bis zum Start des Straßentransports der 112 Tonnen schweren Spezialcontainer nicht so leicht für die Polizei aus: In Quickborn zapften Aktivisten die Hauptwasserleitung an und unterspülten so die Fahrbahn. Das musste die Polizei beheben. Dann blockierten gut 600 Menschen in Grippeln die Strecke. Gegen halb 3 begann die Polizei mit der Räumung. Das Räumen ging so: Wasserwerfer bereit stellen, Scheinwerferspots auf die Demonstranten richten, dann reingreifen. Unter hilflos wirkenden Sprechchören – „Haut ab, haut ab“ oder „Mörder, Mörder“ – werden die Gegriffenen auf der nahen Wiese eingekesselt.

Als die Castoren um halb 5 an ihnen vorbeirollen, bekommen die Demonstranten sie nicht einmal zu sehen: Die Stahlkolosse sind mit Planen abgedeckt. Aufschrift: www.kernenergie.de. Gegen 6 Uhr verbreitete die Polizeigewerkschaft per SMS an ihre Kollegen: „Der Drops ist gelutscht!“ „Die Polizei hat insgesamt 256 Atomkraftgegner vorübergehend in Gewahrsam genommen“, sagte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Die Proteste seien aber im Großen und Ganzen friedlich verlaufen.

12.500 Sicherheitskräfte waren im Einsatz, dessen Kosten sich diesmal auf 25 Millionen Euro summierten. Schünemann: „Das waren etwa 5 Millionen Euro weniger als beim letzten Transport.“ Die Taktik der AKW-Gegner ging also nicht auf: den Transport aufhalten, solange es geht – damit er immer teurer wird. Zwar waren mehr Demonstranten als beim letzten Transport ins Wendland gekommen, doch wurden sie von weniger Polizisten in Schach gehalten.

Den Wendländern läuft derweil die Zeit davon. „Umweltminister Jürgen Trittin hat eingeräumt, dass die Erkundung des Salzstocks ein De-fakto-Ausbau des Endlagers ist“, sagt Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg. Zwar gelte noch das von Trittin verhängte Moratorium, nach dem die Arbeiten ruhen. Doch bringe Rot-Grün bis 2005 nicht eine alternative Standortsuche auf den Weg, dann sei Gorleben als Endlager festgeschrieben.

Dass Gorleben nicht Endlager sein kann, steht für Umweltschützer fest. Schon 1981 habe die physikalisch-technische Bundesanstalt festgestellt, das „Deckengebirge ist nicht geeignet“, erklärt Greenpeace-Atomexperte Mathias Edler. Es fehle eine Wasser abweisende Tonschicht über dem Salzstock.

Eine Idee, sich gegen das Endlager zu wehren, hat jüngst Auftrieb bekommen: die Salinas Salzgut GmbH. 1996 gründeten sie mehrere hundert Kernkraftgegner, um Salz in Gorleben zu fördern. Ende Oktober errangen sie einen wichtigen juristischen Sieg: Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hatte in zweiter Instanz entschieden, dass die zuständige Bergbaubehörde Niedersachsens einen Vertrag zum Salzabbau genehmigen muss. Am Dienstag hatte auch die örtliche Kirchgemeinde erklärt, Salinas unterstützen zu wollen. „Auch uns gehört ein Teil des Salzstocks“, sagt Pfarrer Eckert Kruse. Dass so das Endlager verhindert wird, bezweifelt selbst BI-Sprecher Ehmke. „44 Castoren stehen jetzt hier, und es werden jährlich mehr. Keine Regierung dieser Welt wird die noch einmal transportieren wollen.“