: Klage gegen Embryonenindustrie
Greenpeace klagt gegen ein Patent zur Nutzung geklonter Stammzellen. Es würde den menschlichen Körper kommerziell verwerten. „Die haben das Patent nur falsch gelesen“, sagt der Bonner Patentbesitzer. Mit Klonen habe das nichts zu tun
von HOLGER ELFES
Greenpeace hat letzte Woche Klage gegen ein Patent beim Deutschen Patentgericht in München eingereicht. Inhaber des Patentes ist der Bonner Neurowissenschaftler Oliver Brüstle. Laut dem seit 1999 gültigen Patent (DE 19756864) dürfen Zellen aus menschlichen Embryonen genutzt werden. Damit verstößt es nach Auffassung von Greenpeace gegen das Verbot der kommerziellen Verwertung des menschlichen Körpers.
Brüstle beklagt, dass die Umwelt-Aktivisten den Inhalt seiner Patentschrift völlig verzerrt darstellten. „Mit Gentechnik, Klonen oder gar der Herstellung von Embryonen hat das seit Jahren öffentlich bekannte Patent rein gar nichts zu tun“, so der Bonner, der seinen Kritikern zudem ungenügende Sachkenntnis zum Stand des Verfahrens vorwarf. So sei das Patent im Mai diesen Jahres vom Europäischen Patentamt erneut eingehend geprüft worden. Dabei hätten er und die Prüfer einvernehmlich festgehalten, dass das Verfahren sich auf bereits existierende Zelllinien beschränke und keine Zerstörung von Embryonen einschließen dürfe. Die Erfindung war daraufhin als patentierbar erklärt worden. „Das Patent beschreibt, wie aus existierenden embryonalen Stammzelllinien Ersatzzellen für das Gehirn und das Rückenmark gewonnen werden können“, beschreibt der Wissenschaftler das Ergebnis seiner durch den ehemaligen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement massiv geförderten Arbeit.
Greenpeace steht mit seiner Kritik an dem Patent allerdings nicht alleine dar. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin forderten Frank Ulrich Montgomery, der Vorsitzende des Ärzteverbandes Marburger Bund, Rainer Beckmann, Sachverständiger in der Enquete-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ gemeinsam mit Greenpeace den Widerruf des Patentes. „Die Achtung des menschlichen Lebens erfordert auch klare Grenzen im Patentrecht“, so Montgomery letzte Woche, „die Zerstörung menschlicher Embryonen zu wirtschaftlichen Zwecken verstößt gegen die Grundwerte der Gesellschaft. Wir fordern Forscher und Patentämter auf, entsprechende Patente nicht anzumelden und nicht zu erteilen. „Ethisch umstritten, aber rechtlich zulässig – so erscheint die aktuelle Debatte um das Brüstle-Patent. Von einem „Gesetz mit Lücken“ spricht Greenpeace. Das deutsche und das europäische Patentgesetz verböten zwar Patente auf das Klonen von Menschen und zur industriellen Verwertung menschlicher Embryonen. Auf isolierte Teile des menschlichen Körpers seien sie aber ausdrücklich erlaubt. Brüstle selbst fühlt sich missverstanden. Er drückte prompt nach der Klageeinreichung sein Bedauern aus, dass selbst Fachleute des Marburger Bundes und der Enquête-Kommission sich der „Scheinargumentation“ von Greenpeace angeschlossen hätten. Schließlich gehe es nicht um „Patente auf Lebewesen“. Das Verfahren gehe von bereits existierenden Stammzellen aus, sagte Brüstle. Zudem hob der Mediziner das vielversprechende Therapie-Potenzial seiner Forschungsergebnisse hervor. Krankheiten wie Alzheimer ließen sich mit den Ersatzzellen bekämpfen. Die Kritiker stellen das Potenzial der Stammzellentherapie nicht in Frage, ihnen geht es um Grundsätzliches. Die Klage sei daher auch nicht gegen Brüstle persönlich gerichtet, so Christoph Then, Patent-Experte von Greenpeace. Die Kernfrage sei die wirtschaftliche Verwertung menschlicher Embryonen. Daher sollten die Ansprüche auf Stammzellen aus dem Patent herausgenommen werden. Der Patentklage sieht Brüstle derweil gelassen entgegen. „Eine gerichtliche Klärung würde allen helfen, damit diese Sache ein für alle Mal geklärt würde“, gibt er sich zuversichtlich über den Ausgang des Verfahrens.
Momentan blockiert das deutsche Embryonenschutzgesetz eine kommerzielle Nutzung des Patents. Embryonen dürfen weder für die Forschung, geschweige denn für wirtschaftliche Zwecke gezüchtet werden. Lediglich der Import einiger älterer befruchteter Eizellen aus Israel war erlaubt. Das Kabinett ist zerstritten, Bundeswirtschaftsminister Clement gilt in dieser Frage jedoch als Befürworter einer Aufweichung des Gesetzes. „Offensichtlich spekuliert der Patentinhaber darauf, dass der Embryonenschutz gelockert wird“, so der Sachverständige der Enquête-Kommission Rainer Beckmann, „dann droht das Entstehen einer Embryonenindustrie.“Die Bonner Hochschulleitung stellt sich derweil hinter ihren Professor. Der Kanzler der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Reinhardt Lutz, gab Rückendeckung: „Greenpeace versucht offensichtlich, mit Professor Brüstle einen gewissenhaften und seriösen Hochschullehrer für eine unlautere Medienkampagne zu missbrauchen, die letztlich das Ziel hat, die Stammzellforschung als solche in ein schlechtes Licht zu rücken.“