theater : Absurde Menschlichkeiten
Ein einziger Schrei. Zu lange hatte er in Clov geruht. Jetzt muss er seiner Wut und Trauer einmal Luft machen. Sein alter Spruch „ich verlasse dich“ besitzt keinerlei Aussagekraft mehr. Immer wieder hatte er den Satz Gebetsmühlenartig abgespult, doch nie hatte er seine Ankündigung umgesetzt. Ein Wortwechsel zwischen Hamm und Clov bringt die Verzweiflung und Ausweglosigkeit der Figuren präzise auf den Punkt: „Wie geht‘s deinen Beinen? – Schlecht. – Aber du läufst. – Auf der Stelle.“
Samuel Beckett war ein Meister des Absurden Theaters. Mit Stücken wie „Glückliche Tage“ oder „Warten auf Godot“ verstand er es, durch Ort und Darstellung ein scheinbar absurdes, irreales Geschehen zu zeigen, das den Zuschauer durch seine Menschlichkeit doch immer noch eine Verbindung zum wirklichen Leben herstellen lässt.
Mit „Endspiel“ dramatisierte Beckett die Beziehung zwischen Herr und Diener, die sich in gegenseitiger Abhängigkeit und abgrundtiefem Hass darstellt. Hamm (Klaus Wildermuth) lässt sich von seinem Diener Clov (Klaus Ebert) in einer Mülltonne herumkutschieren. Clov kann laufen, aber nicht sitzen, während Hamm nur sitzen, nicht aber laufen kann. Sie leben in einer Symbiose, in der sie nicht ohne einander, aber auch nicht miteinander leben können.
Dieses Spiel setzt sich bei Hamms Eltern Nagg (Jo Schmidt) und Nell (Marietta Bürger) fort, die beinlos auf einem Müllberg leben. Jeden Abend wieder versucht Nagg, sich seiner Frau sexuell anzunähern. Dabei weiß er doch genau, dass der Versuch ebenso aussichtslos ist wie sein Wunsch nach einem Praliné; letztlich bekommt er doch wieder nur einen trockenen Zwieback.
Regisseurin Hiltrud Kissel hat sich Beckett auf konventionelle Weise angenähert. Mit den vier DarstellerInnen hat sie die komödiantischen Absurditäten ebenso herausgearbeitet wie das tragische Aufderstelletreten der Figuren, das zuletzt sehr nachdenklich macht. Die Schauspieler agieren miteinander und schaffen es so, die Dramatik des Stücks gekonnt umzusetzen. Die Versuche einer Modernisierung, indem Hamm mit dem Namen Becketts jongliert oder Clov versucht, Nagg den Markenzwieback durch Preisung des Namens näher zu bringen, sind unnötig und auch zu zaghaft, um Aufsehen zu erregen.
Zuletzt steht Clov wieder mit dem Koffer in der Hand da. Sein „Ich verlasse dich“ hat jetzt eine andere Intonation. Als das Licht erlischt, bleibt ungewiss, ob er es diesmal schaffen wird.
sandra pingel
„Endspiel“, Arkadas Theater, Platenstraße 32, Tel.: 0221/ 9559510, www.arkadastheater.de ; nächste Vorstellungen: 29. und 30. Oktober sowie 2. und 3. Dezember (jeweils 20 Uhr)