: Die ganze Hertha spielt Bobic
Mit einem Null-Mann-Sturm gelingt Hertha zu Hause gegen Dortmund ein 0:1. Bobic stolpert so sehenswert in einen Ball, dass man das fast für Können halten könnte
Falko Götz lag auf der Lauer. Wachsam wie ein Luchs hatte der Mann bei der Pressekonferenz Platz genommen. Der ganze Kerl, daran konnte es nicht den Hauch eines Zweifels geben, war darauf vorbereitet, sich nötigenfalls seiner stets braun gebrannten Haut zu wehren. Allein, es war gar nicht weiter nötig. Zwar zischte auch am Dienstagabend die ein oder andere unbequeme Frage durch den Raum, gerichtet aber waren die meisten keineswegs an Götz. Dessen Hertha hatte zuvor gegen Borussia Dortmund in eigenem Stadion mit 0:1 verloren, im Mittelpunkt des Interesses aber standen dennoch die Statements der Gegenseite.
Die Borussia steckt schließlich bis Oberkante Unterlippe in der wirtschaftlichen Krise, da ist es durchaus von Interesse, was der sportliche Leiter zu sagen hat. Bert van Marwijk tat das auch im Olympiastadion mit erstaunlicher Sachlichkeit und nahezu emotionslos. Zusammenfassen lässt sich das in etwa so: Dortmund hat zumindest am Dienstag „in schwieriger Situation Charakter gezeigt“ und sich als „richtige Mannschaft“ präsentiert. Sonderlich glücklich sah der holländische Coach jedoch nicht aus. Van Marwijk scheint zumindest zu ahnen, was noch auf ihn zukommen wird.
Falko Götz scheint sein Gemüt mit solch dunklen Zukunfstvisionen zumindest derzeit (noch) nicht belasten zu wollen. Fürs Erste war der Hertha-Coach einfach nur zufrieden, von der Pressemeute nicht allzu heftig ins Kreuzverhör genommen worden und mit seinen dürftigen Einlassungen („Die erste Halbzeit war ausgeglichen, aber mit größeren Chancen für uns. Dennoch haben wir das Tor gekriegt. In der zweiten Halbzeit haben wir viel Druck gemacht, aber immer wieder durch die Mitte gespielt“) relativ ungeschoren davongekommen zu sein.
Dabei war die Aufforderung an Götz, doch bitte seine Auswechslungen zu erklären, durchaus schärfer gemeint, als sie daherkam. Schließlich hatte der Trainer nicht nur Wichniarek für Fathi (46.), Nando Rafael für Bobic (61.) und schließlich Müller für Dardai (76.) getauscht, sondern damit ebenso beiläufig wie spät auch seine Taktik vom Null-Mann-Sturm korrigiert.
Zwar gelangen dem nach seiner Verletzungspause immer stärker werdende Bastürk und seinem kongenialen Spielpartner Marcelinho zumindest in den ersten 30 Minuten einige feine Spielzüge, ganz vorne aber herrschte wieder das absolute Nichts. Wo andere Teams nämlich mit Stürmer antreten, setzt Hertha unvermindert auf Fredi Bobic. Und selbst eine krisengebeutelte Borussia lässt sich von solch einem Phantomstürmer nicht in Gefahr bringen.
Dass ausgerechnet Bobic in Minute 37 per Fallrückzieher die beste Hertha-Chance besaß, dürfte somit dem Zufall zuzuschreiben sein – und Bobic’ Ungeschick, das nur so zu erklären ist: Vor lauter Schreck, den Hauch einer Chance zu bekommen, rutscht Bobic noch auf der Flucht vor dem Ball übel aus, wobei ihm das Spielgerät zufälligerweise auf den Fuß springt und von dort an den Pfosten. Wie ein richtiger Stürmer agiert, machte nur 7 Minuten später Jan Koller vor: feine Flanke vom herausragenden Kringe, feiner Kopfball von Koller, feines 0:1. In den restlichen 46 Minuten spielte die ganze Hertha mehr oder weniger Bobic, was sich in wütendem wie planlosem Anrennen offenbarte – und natürlich in der Torlosigkeit. FRANK KETTERER