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Archiv-Artikel

Angriff der Klonmusiker

Der Kunstraum Kreuzberg zeigt in seiner Ausstellung „Believe it or not“ Arbeiten mit ambivalentem Angebot: Entweder der Betrachter glaubt, was er sieht, oder er schaut noch mal genauer hin

VON TIM ACKERMANN

Die Wendung „believe it or not“ bereitet den angelsächsischen Zuhörer gemeinhin darauf vor, dass er gleich Unglaubliches vorgesetzt bekommt. Sie ist etwas aus der Mode, vermutlich weil es kaum noch Dinge gibt, die der moderne Mensch nicht für möglich hält. Im Zeitalter des geknackten Gencodes wundert sich niemand mehr über die dreibeinigen Pygmäen aus der guten alten Freakshow.

Deshalb ist es auch kein Wunder, dass sich die Ausstellung „Believe it or not“ im Kunstraum Kreuzberg gar nicht erst die Mühe macht, dem sensationsübersättigten Großstädter spektakuläre Illusionen vorzugaukeln. Eher ist das Gegenteil der Fall: Die Ausstellung versammelt 19 Positionen, die auf den ersten Blick irritieren, auf den zweiten jedoch schnell ihre eigene Künstlichkeit in den Mittelpunkt rücken. „Die Kunstwerke sollen den Betrachter verunsichern und so seinen Blick schärfen“, sagt Matthias Röhrborn, Mitorganisator der Ausstellung. „Es geht darum, die eigene Bildergläubigkeit in Frage zu stellen.“ Believe your own eyes or don’t – das ist das ambivalente Angebot, das die gezeigte Kunst macht.

Es darf also gestutzt werden, auch gleich zu Anfang der Ausstellung: Neben dem Eingang präsentiert Cornelia Labusch unter dem Titel „Jenny, Wendy, Mandy“ eine Serie von Fotos, die vorgeblich dokumentarische Innenaufnahmen von amerikanischen Fast-Food-Restaurants zeigen. Beim genauen Betrachten dieser quietschbunten Fresstempel sieht man, dass die junge Serviererin in allen Bildern die gleiche Person ist – die Künstlerin selbst. Die Fotoserie ist eine Hommage an die anonymen und nur scheinbar identischen Jennys und Wendys dieser Welt, die sich täglich in uniforme Kostüme mit „Fatburger“- oder „Yum Yum“-Aufschrift zwingen müssen. Den formalen Kontrapunkt zu Labuschs sozialkritischem Ansatz bilden die Arbeiten von Miklos Gaál. Der Künstler spielt mit den Sehgewohnheiten des Betrachters, die von einer logischen Verteilung von Schärfe und Unschärfe innerhalb eines Fotos ausgehen. In Gaáls Fotografien folgt die Tiefenschärfe jedoch keinem nachvollziehbaren Prinzip – was den merkwürdigen Effekt hat, dass der Betrachter glaubt, die Aufnahmen von Modelllandschaften vor sich zu haben. Es dauert eine Weile, bis man seine Augen davon überzeugt hat, dass Gaáls Bilder reale Szenen zeigen.

Eher medienkritisch als spielerisch ist ein wirkliches Architekturmodell von Martin Kaltwasser, das die Errichtung eines Mahnmals an der fiktiven Absturzstelle eines Airbusses in Bremen vorschlägt. Gefälschte Zeitungsberichte vom Absturz sollen zusätzlich die Authentizität des Vorfalls belegen, zeigen jedoch gleichzeitig, wie in unserer Zeit Nicht-Events durch Berichterstattung der Medien zu Nachrichten aufgeblasen werden. „Wir klinken uns mit der Ausstellung auch in die Diskussion ein, wie Bilder Realität schaffen“, sagt Stéphane Bauer vom Kunstraum Kreuzberg.

Wem dieses Thema zu pessimistisch ist, der kann sich von Alexander Györfis Videofilmchen verführen lassen. Györfi hat für jeden Film einen Freund bei der Darbietung eines selbst geschrieben Liedes gefilmt – und zwar nicht einmal, sondern dreimal jeweils mit einem anderen Instrument. Die Bilder wurden später zusammenmontiert. Das Resultat ist eine Dreiergruppe von identischen Musikern, die sich beim Auftritt blendend verstehen. Eine schöne Vision darüber, wie viel Spaß das menschliche Klonen bringen kann – wenn man nur daran glaubt.

„Believe it or not“. Bis 28. November, Kunstraum Kreuzberg, Mariannenplatz 2, Di.–So. 12–19 Uhr