: Mensch, was zahlst du?
Für viele ist es eine Ehre, als Mitwirkende beim Kirchentag in Bremen dabei zu sein. Manche schockt allerdings die Aufforderung, dafür zu bezahlen, manche weigern sich, ihr nachzukommen – und andere Kulturgruppen erhalten Gage
Der Kirchentag findet in Bremen vom 20. bis 24. Mai 2009 statt. Es ist der insgesamt 32., der erste wurde vor 60 Jahren in Hannover veranstaltet.Das Programm ist gedruckt 560 Seiten stark und umfasst zirka 3.000 Veranstaltungen, getragen wird es von rund 35.000 Mitwirkenden, insgesamt ist mit über 100.000 BesucherInnen zu rechnen. Das Dauerticket kostet 89, mit Ermäßigung 49 Euro, der Preis der Familienkarte beträgt 138 Euro. Wer KirchentagsbesucherInnen eine Unterkunft zur Verfügung stellt erhält eine Tageskarte im Gegenwert von 28 Euro (ermäßigt 17 Euro). Mitwirkende müssen pro Person 24 Euro bezahlen – oder hart verhandeln. Oder Gage bekommen. Sich selbst charakterisiert der Kirchentag als eine von der EKD und ihren Landeskirchen unabhängige Bewegung von ChristInnen, die ihren Glauben öffentlich leben wollen. Das Budget beträgt 13,7 Millionen Euro. TAZ
AUS BREMEN BENNO SCHIRRMEISTER
Sie haben sich ja bemüht. Ehrlich. Und es ist ja wirklich so, dass „ein Kirchentag nie eine Profit-Veranstaltung“ ist, wie Katja Tamchina klarstellt. Sie ist Sprecherin des Glaubens-Events, das vom 20. bis 24. Mai nach Darstellung der Veranstalter Bremen verändern wird. Sein Motto lautet „Mensch, wo bist du?“
Im Zentrum stehen dabei, auch infolge der Systemkrise, wirtschaftlich angehauchte Themen: Wie Gläubige mit den Ungerechtigkeiten des globalen Marktes umgehen, was der Protestantismus der Kultur grenzenloser Gier entgegen setzen kann – derartiges, wobei sehr intensiv auch die Frage nach Armut gestellt wird. Muss ja in Bremen. Laut Senat sind 27 Prozent der BremerInnen von Armut bereits betroffen oder unmittelbar bedroht.
So zeigt eine Ausstellung „Gesichter der Armut“. Und das ist gut, weil nur sehr wenige Arbeitslosengeld II-Empfänger auf dem Kirchentag ihr Gesicht werden zeigen können: Für kulturelle Teilhabe sieht der Regelsatz monatlich 6,37 Euro vor. Da ist auch der ermäßigte Eintrittspreis von 49 Euro eine Menge. Ein Missverhältnis, das der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) auch aufgefallen war: Sie bot bis Ende März ein zusätzlich subventioniertes Sozial-Ticket an, zum Preis 14 von Euro. Immerhin nur noch zweieinhalb Monate sparen.
Jetzt ist die Aktion beendet, aus organisatorischen Gründen, wie die BEK informiert. „Wir begrüßen diese Aktion natürlich“, sagt Tamchina. Ein Verzicht auf Eintrittspreise kommt ihr zufolge nicht in Frage. Vielleicht lässt sich ja in Einzelfällen etwas arrangieren. Nicht aber für 27 Prozent der Bevölkerung. „Dass wir die erheben“, so Tamchina „müssen wir auch unseren Hauptgeldgebern gegenüber nachweisen“. Die sind zuvörderst das Land Bremen, das 7,5 Millionen Euro zahlt, und die BEK, die eine Million Euro beisteuert, „weil sie nur eine kleine Landeskirche ist“, so Tamchina. Immer aber sei „ein solcher Kirchentag hart kalkuliert“.
Das bringt gewisse Härten mit sich, besonders für die MitarbeiterInnen. Denn für ihr Ehrenamt müssen die zahlen. „Doch“, sagt beispielsweise Stephan Reiß, der den Kinder- und Jugendchor im Viertel leitet, „wir freuen uns noch immer auf den Kirchentag“. Allerdings mit der Einschränkung, dass er so etwas „nicht noch einmal machen“ würde: Schließlich spiele man sonst für Gage. Und einschlägige Hinweise in den Verträgen habe man „wohl übersehen“. Entsprechend „kalt erwischt“ worden sei das Team von der Forderung, Mitarbeiter-Ausweise für ihn und seine Kollegin Helma Gallmeister-Pötter, für eine Musikerin und Begleitpersonen, zu bezahlen – das Stück zu 24 Euro.
Hinzu kommt, dass Versuche zur Refinanzierung untersagt sind: „Wir haben gefragt, ob wir nach dem Auftritt Spenden sammeln dürfen“, so Reiß. Negativ. Wenigstens dürfen die Kinder gratis auftreten – weil noch unter 14 Jahren. „Wir sind jedenfalls heilfroh, dass wir nicht den Jugendchor angemeldet haben“, sagt Reiß. Dann hätte der Kirchentag dem Verein eine Rechnung von rund 900 Euro zugestellt. Damit würden ALG II-EmpfängerInnen aus Sicht der Veranstalter nicht automatisch von der Mitwirkung ausgeschlossen. „Üblicherweise“, so die Auskunft, werden die Mitwirkenden-Tickets ja „von den Initiativen bezahlt“. Bloß: Wenn die kein eigenes Vermögen haben, wer trägt dann die Kosten?
Wahr ist, dass der Kirchentag in seiner „Einladung zur Mitwirkung“ darauf hingewiesen hatte, dass er auf einen „finanziellen Beitrag der Mitwirkenden nicht verzichten“ könne. Fettgedruckt ist der allerdings nicht – und dort wo der Flyer sich direkt an Musikgruppen wendet, ist in Gelddingen nur noch davon die Rede, dass „Mitglieder von Bläser- und Sängerchören den Fahrausweis kostenlos“ erhalten. Es sei denn der Satz: „Wir freuen uns auf ihren Beitrag“ ist nicht so herzlich gemeint, wie er zunächst wirkt.
Wahr ist auch, dass viele der 35.000 Mitwirkenden ohne zu murren zahlen. Abgesehen von den Gruppen, die gegen Gage auftreten. Und wieder anderen, die ihren Obolus verweigern: „Wir zahlen keinen Cent“, sagt beispielsweise Kulturpädagoge Claudius Joecke vom Kulturladen Huchting, „das wäre ja grotesk“.
Um das durchzudrücken sei aber „kross zu verhandeln“ gewesen, „mit Haaren auf den Zähnen“. Und er musste Abstriche in der Präsentation hinnehmen: Ursprünglich hätte der Verein sein Ausstellungsprojekt „Insan … Mensch“, das persönliche Geschichten von MigrantInnen erzählt, groß in der Messehalle zeigen sollen. Es hätte offenkundig zur Leitfrage des Kirchentags gepasst. „Aber dass MigrantInnen für die Ehre bezahlen müssen, auf dem Kirchentag dabei zu sein, das kam für uns nicht in Frage“, sagt Joecke. Jetzt wird es auf der Cap San Diego präsent sein, als Kofferausstellung.