: Berlusconi bekommt Konkurrenz aus Brüssel
EU-Kommissionspräsident Romano Prodi einigt Italiens Opposition und wird so zum Gegenspieler des Premiers
ROM taz ■ Nun ist es offiziell: Romano Prodi tritt schon bei den Wahlen zum Europaparlament im Juni 2004 als direkter Gegenspieler des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi auf. Zwar steht der EU-Kommissionspräsident, dessen Mandat noch bis zum November 2004 läuft, nicht als Kandidat des oppositionellen Ölbaumbündnisses zur Verfügung. Doch gleich zwei Ereignisse in dieser Woche machen deutlich, dass er neben seinem Job in Brüssel zum faktischen Oppositionsführer in Rom aufgestiegen ist.
Heute und morgen treten die kleinen Parteitage von gleich drei der Ölbaumparteien zusammen: die Linksdemokraten, die Mitte-Partei der „Margherita“ unter Francesco Rutelli und die Sozialisten wollen parallel das Projekt einer gemeinsamen Liste für die EP-Wahlen absegnen. Ein Projekt, dessen Vater Romano Prodi ist. Er hatte die Opposition aufgerufen, ihre Zersplitterung zu überwinden und als Zeichen der Erneuerung mit Blick auf die nationalen Parlamentswahlen 2006 schon jetzt zusammen anzutreten. Und es ist durchaus denkbar, dass die drei Partner sich gleich als „Liste für Prodi“ den Wählern präsentieren.
Seinen Führungsanspruch hat der umtriebige Kommissionspräsident dadurch untermauert, dass er am Montag ein Manifest lancierte, sein Titel: „Europa. Der Traum, die Entscheidungen“. Prodi behauptet, in dem Papier gehe es ihm gar nicht um Italien, sondern – ganz in Einklang mit seinem Amt – allein um europäische Visionen.
Aber das glaubt ihm in Italien niemand, denn alle seine Vorschläge lesen sich als direkter Gegenentwurf zu Berlusconi. Prodi lehnt ein „Maastricht der Renten“ab – Berlusconi hatte es gefordert. Prodi fordert das Stimmrecht für Immigranten – Berlusconi ist dagegen. Prodi verlangt, in der Justizpolitik „Europa zu folgen“ – Berlusconi hat sich zu Hause wichtige Gesetze zurechtreformiert, um aus seinen Prozessen herauszukommen. Prodi macht sich für Medienpluralismus stark – Berlusconi regiert mit geballter Medienmacht im Rücken. Noch ein Indiz verrät, dass es Prodi mehr um die heimische Debatte geht: Das Paper wurde zunächst nur auf Italienisch veröffentlicht.
MICHAEL BRAUN