: Kein Fingerhakeln mehr
Nach bundesweiter Kritik verzichtet Hamburgs Senat auf Fächerkahlschlag an der dortigen Uni. Halbierung der Geisteswissenschaften ist vom Tisch
aus HamburgEva Weikert
Jörg Dräger rudert zurück. Der Hamburger Wissenschaftssenator hat gestern gemeinsam mit dem Chef der dortigen Uni, Jürgen Lüthje, eine Versöhnungserklärung verlesen. „Wir wollen unbegründete Befürchtungen ausräumen“, steht da drin. Zuvor hatte es monatelang Streit um die Geisteswissenschaften gegeben, die der parteilose Senator auf ein Rumpfangebot reduzieren wollte. Der Plan war bundesweit auf Empörung gestoßen. Offenbar hat Dräger jetzt im CDU-Senat eins auf die Finger bekommen. „Die Frage der Personalstruktur ist Sache der Uni“, räumte er auf der Pressekonferenz mit dem Uni-Chef ein. Der frohlockte: „Die Halbierung der Geisteswissenschaften ist vom Tisch.“
Dräger will die Hamburger Hochschullandschaft massiv umbauen und das Angebot an Studienfächern und -plätzen am Arbeitsmarkt ausrichten. Die Geisteswissenschaften finden vor ihm keine Gnade. Dort soll es 18 Prozent weniger Absolventen und ein Viertel weniger Studienanfängerplätze geben. Aus Behördensicht kann dafür die Professorenzahl von 155 auf 77,5 halbiert werden. Wie die Dekane errechneten, blieben 80 Prozent des Spektrums oder 30 Fächer auf der Strecke, darunter bundesweit einmalige Angebote wie Thaiistik und Vietnamistik.
Mit der gestrigen Erklärung ist der Stellenstreit beigelegt. Darin werden die Behördenzahlen nur noch als „Mindestwerte“ deklariert. Die Professurenzahl an der Uni und deren Fakultäten sei Sache der Entwicklungsplanung, so der Senator. Diese obliegt Präsidium und Hochschulrat, einem größtenteils externen Steuerungsgremium der Uni. Sogar die Hamburger Handelskammer lobte Drägers Einlenken: „Wie sie ihr Profil ausbildet, ist allein Sache der Uni und des Hochschulrats“, mahnte Kammerchef Hans-Jörg Schmidt-Trenz.
Auch bei einem anderen Streitpunkt machte Dräger gestern einen Rückzieher. Am Vortag hatte er mit allen Hamburger Hochschulen die Leistungsvereinbarungen für 2005 unterschrieben. Darin deklariert die Behörde neben den Stellenzahlen auch ihre Quoten für das Masterstudium als „Mindestwerte“. Bisher hatte Dräger darauf bestanden, höchstens 50 Prozent der Studierenden die vertiefende Ausbildung zu ermöglichen.
„Das ist eine wichtige Klarstellung“, begrüßte Uni-Präsident Lüthje den Quotenverzicht. Zugleich lobte er, „dass Schluss ist mit dem Fingerhakeln um Grenzen“ für die Geisteswissenschaften. Im Frühjahr wolle er dem Hochschulrat einen überarbeiteten Stellenplan vorlegen mit dem Ziel, „die Fächervielfalt zu erhalten“. Seine Zahlen über die avisierte Ausstattung der Geisteswissenschaften nannte er nicht: „Wir haben aber erheblichen Spielraum in der Personalstruktur und sind näher am Ist-Zustand als an den 77,5 Stellen.“