: Der Noch-Kandidat
Heute wird in Rom die EU-Verfassung feierlich unterzeichnet. Daher steht Italien noch zu Rocco Buttiglione als Kommissionskandidat
AUS ROM MICHAEL BRAUN
In Rom treffen heute die Staats- und Regierungschefs von 29 Mitglieds- und Kandidatenstaaten der EU zusammen, um die Europäische Verfassung feierlich zu unterzeichnen. Ort der nur rund zwei Stunden dauernden Zeremonie ist der Kapitolspalast, in dem schon 1957 mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge die EWG aus der Taufe gehoben worden war. Und wie damals schon soll die Zeremonie im „Saal der Horatier und Curiatier“ stattfinden. Seinen Namen verdankt dieser Saal den Fresken, die den Kampf zwischen den beiden Familien darstellen. Eine im Nachhinein passend erscheinende Wahl, wird doch die Signierung der Verfassung von dem Konflikt um die neue EU-Kommission überschattet.
Im antiken Mythos siegen die römischen Horatier; im heutigen Europa steht vorerst ausgerechnet Gastgeber Silvio Berlusconi als großer Verlierer da. Sein Kommissionskandidat Rocco Buttiglione zog die heftigste Kritik des Parlamentes auf sich, auch wenn weitere Kandidaten wie der Ungar Kovacs und die Niederländerin Kroes ebenfalls umstritten sind. Wenigstens im Vorfeld der Verfassungsunterzeichnung aber hält die Regierung Berlusconi ihre harte Linie aufrecht. Während der künftige Kommissionspräsident Barroso mit den Worten, er werde „weniger als acht bis zehn“ Kandidaten auswechseln, schon recht deutlich von Buttiglione Abschied genommen hat, bleibt der offizieller Kandidat Italiens. Auf Abruf allerdings: Außenminister Frattini verteidigte Buttiglione mit den verräterischen Worten, „gegenwärtig“ sei er der Kandidat.
Ergebnis der Krise ist jedenfalls, dass die scheidende Kommission bei der Zeremonie in Rom nicht die neue EU-Kommission an ihrer Seite haben wird. Als Star aus Brüssel wird Berlusconi nun ausgerechnet seinen zukünftigen innenpolitischen Herausforderer Romano Prodi empfangen müssen. Zumindest in Italien gilt der noch amtierende Kommissionspräsident denn auch als einer der Gewinner des EU-Konfliktes: Während Berlusconi sich eine weitere Niederlage abgeholt hat, steht Prodi als Garant der Stabilität der europäischen Institutionen wie auch als Vertreter eines in Europa akzeptierten Italien da.
Da der heutige Gipfel außer der Unterzeichnung nur ein Mittagessen der europäischen Gäste bei Italiens Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi vorsieht, ist mit offiziellen Gesprächen zur Lösung der Kommissionskrise nicht zu rechnen. Allerdings dürften die Regierungschefs die Gelegenheit kaum ungenutzt verstreichen lassen, um untereinander die Lösungsmöglichkeiten auszuloten.
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