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Archiv-Artikel

Vulkan-Ausbrüche am Herd

Wenn Männer kochen, entbrennt die Leidenschaft am Kleckern und Klotzen. Auch in der Küche wollen sie siegen: Freunde und Familie beeindrucken. Für ihre Heldentaten gelobt werden

von TILL DAVID EHRLICH

Schon im Hausflur weiß sie Bescheid. Es duftet nach Rosmarin und gekochtem Huhn. Dann sieht sie ihn hantieren mit Töpfen und Pfannen. Sein Kopf ist rot, der Tisch weiß gedeckt. Den ganzen Tag hat er gekocht. Nur für sie. Er hat Teig geknetet und hauchdünn gerollt. Mit seinem Lieblingsspielzeug, einer chromblitzenden Nudelmaschine. Er ist zum Markt gegangen, hat ein Biohuhn gekauft, penibel Haut und Knöchelchen entfernt, das Fleisch in Würfel geschnitten und sanft in Butter gedünstet. Damit den Teig gefüllt und vorsichtig in einer zarten Bouillon geköchelt. Er hat Zwiebeln geschnitten und geweint. Zitronen gepresst und Knoblauch zerquetscht. Salat gezupft und Kräuter gehackt. Und am Ende alles liebevoll auf große, schneeweiße Teller getürmt. Eine heiße Entschuldigung, duftend und köstlich. Seit Wochen essen sie wieder das erste Mal gemeinsam. Die Krise ist beendet, vorläufig. Es gibt Männer, die bewaffnen sich in ihrer Freizeit mit der Schlagbohrmaschine. Andere verkriechen sich am Wochenende, um Modellflugzeuge oder Katzenbäume zu bauen. Und es gibt Männer, die kochen. Wenn Männer kochen, ist es pure Leidenschaft, heißt es. Wenn Frauen kochen, ist es Hausarbeit, meint Arbeitssoziologin Gudela Grote. Dinge, die traditionell Frauen ausgeübt haben, würden gesellschaftlich aufgewertet, wenn Männer es tun. So auch das Kochen. „Geschlechtsspezifische Zugangsbarrieren“.

Der Soziologe Jürgen Barschert, ein Mann also, hat die geschlechtlichen Barrieren ganz anders erfahren: „Jahrelang habe ich darunter gelitten“, klagt er, „dass ich mit einer Frau verheiratet war, die eine hoch begabte Köchin ist. Ich kam einfach nie zum Zug.“ Erst nach der Trennung traute er sich an den heimischen Herd. Seine späte Karriere als Hobbykoch begann. Die Spezialität seiner Frau, thailändische Ente, konnte er jedoch an Güte nie erreichen.

Kochen ist nicht gleich kochen. In vielen Haushalten gibt es zwei Arten. Die Versorgung der Familie, oft nach einem langen Arbeitstag. Das bedeutet: kochen gegen die Uhr. Tag für Tag. Hier soll es schnell und praktisch zugehen. Ohne Kochbuch. Kein Wunder, dass dieses Kochen als Hausarbeit empfunden wird. Und dass sich viele Männer gern davor drücken.

Aber dann gibt es noch das Kochen am Wochenende. Die Kocherei aus Leidenschaft. Mit Kochbuch, Profigerät und besten Zutaten. Da wird die Küche zum Revier männlichen Ehrgeizes. Hier finden die Vulkan-Ausbrüche am heimischen Herd statt. Männer kochen, wenn sie denn kochen, riskanter und verbissener als Frauen. Sie entfalten einen Fanatismus, der nur von wenigen Frauen aufgebracht wird. Kurz: Männer kochen, um zu siegen, um Freunde, Arbeitskollegen und Familie zu beeindrucken. Für ihre kulinarischen Heldentaten wollen sie ausgiebig gelobt werden. Von ihren Frauen.

Der Frau bleibt meist nur die Statistenrolle. Es beginnt damit, dass sie schlechtes Gewissen plagt, während er sich in der Küche ausbreitet. Irgendwann fragt sie: „Schatz, kann ich dir helfen?“. Darauf hat er nur gewartet. Er lächelt und verteilt die Aufgaben. Für ihn die kniffligen, anspruchsvollen Dinge. Für sie die niederen Arbeiten: Zwiebeln pellen, Kartoffeln schälen, Kräuter hacken. Kleinkram eben. Den mag er nicht, der hält auf und ist lästig. Er führt lieber Regie, kümmert sich um die kreative Linie. Am Ende des Abends, wenn sie abgeräumt hat, ihn alle gelobt haben und er zufrieden am Rotweinkelch schnuppert, hört man leises Klappern in der Küche. Sie räumt auf.

Ganz anders sieht es bei den wirklichen Profis aus. Starköche sind froh, wenn in ihren Küchen wenigstens eine Frau wirbelt. Der Hamburger Sternekoch Heinz Wehmann konstatiert: „Frauen haben den besseren Geruchs- und Geschmackssinn, sie sind zuverlässiger und psychisch belastbarer.“ Während die männlichen Kollegen eifersüchtig rangeln und lärmen, wer am meisten drauf hat, erfüllen die Frauen unauffällig und präzise ihr Pensum. Selbst in größten Stresssituationen behalten sie die Übersicht – so mancher Starkoch wäre aufgeschmissen ohne sie. Aber Köchinnen sind eine rare Spezies. Und begehrt obendrein. Auf zehn Köche kommt in der Top-Gastronomie etwa eine Frau. Der 14-stündige Arbeitstag in einer Profiküche ist körperlich und psychisch hart. Und mies bezahlt. Mit einem Familienleben lässt er sich kaum vereinbaren. Erst recht nicht, wenn Kinder da sind. Denn um die kümmern sich meist noch die Frauen.